Durch das richtige Lesen der „Philosophie der Freiheit“ kommt man zu einem Abtasten des inneren Menschen 

 

von Ingo Hagel

 

Hier in diesem Vortrag in der GA 232 schildert Rudolf Steiner, dass, wenn man in der richtigen Weise die „Philosophie der Freiheit“ liest, man zu einem Abtasten seines inneren Menschen kommt: 

Kommt man aber dazu, dieses eben charakterisierte Denk-Erlebnis zu haben, dann ergreift man nicht die Welt; man hockt auch, möchte ich sagen, nicht in seinem Ichpunkte bloß drinnen, sondern es passiert etwas ganz anderes. Man bekommt das Gefühl, das ganz richtige Gefühlserlebnis, daß man mit seinem Denken, das eigentlich nicht an irgendeinem Orte ist, nach dem Innern alles erfaßt. Man fühlt: man tastet den inneren Menschen ab. So wie man mit dem gewöhnlichen Denken, ich möchte sagen, geistige Fühlfäden nach außen streckt, so streckt man mit seinem Denken, mit diesem Denken, das in sich selbst sich erlebt, fortwährend sich in sich selber hinein. Man wird Objekt, man wird sich Gegenstand. 

 

Damit ist man dann allerdings noch einmal an dem Punkt, 

der bereits in diesem Artikel besprochen worden ist: an einem „künstlerischen Erfassen“ der Welt, das ja nichts anderes ist, als ein inneres Erleben der lebendigen Gesetzmäßigkeiten – beziehungsweise der ätherischen Vorgänge der Welt und in einem selber.   

Und deshalb steht in dieser «Philosophie der Freiheit» der Satz: In dem Denken ergreift man das Weltgeheimnis an einem Zipfel. 

Es ist vielleicht einfach ausgedrückt, aber es ist so gemeint, daß man gar nicht anders kann, wenn man das Denken wirklich erlebt, daß man sich fühlt nicht mehr außer dem Weltgeheimnis, sondern im Weltgeheimnis drinnen, daß man sich fühlt nicht mehr außerhalb des Göttlichen, sondern im Göttlichen. Erfaßt man das Denken in sich, so erfaßt man das Göttliche in sich. 

Diesen Punkt konnte man nicht erfassen. Denn erfaßt man ihn wirklich, hat man sich Mühe gegeben, das Denk-Erlebnis zu haben, dann steht man eben nicht mehr in der Welt drinnen, in der man vorher drinnen gestanden hat, sondern man steht in der ätherischen Welt drinnen. Man steht in einer Welt drinnen, von der man weiß: sie ist nicht von da und dort im physischen Erdenraum bedingt, sondern sie ist bedingt von der ganzen Weltensphäre. Man steht in der ätherischen Weltensphäre drinnen. Man kann nicht mehr zweifeln an der Gesetzmäßigkeit der Weltenäthersphäre, wenn man das Denken so erfaßt hat, wie es in der «Philosophie der Freiheit» erfaßt ist. So daß da erreicht ist dasjenige, was man ätherisches Erleben nennen kann. Daher wird es einem so, wenn man in dieses Erleben hineinkommt, daß man einen eigentümlichen Schritt in seinem ganzen Leben macht. 

 

Hilft einem dieser Hinweis denn nun wirklich weiter? 

Wer diesen Hinweis nur im Sinne gewöhnlicher moderner –

das heißt nur mit dem Kopf zu verstehender und umzusetzender –

Gebrauchsanweisungen verstehen will, dem hilft dieser Hinweis natürlich nicht weiter. Wer diesen Hinweis allerdings verstehen will im Sinne eines Hinweises, in welcher Richtung man selber zu suchen hat, sowie im Sinne einer Hilfestellung zu einem allmählichen Umgestalten der eigenen starren Denktätigkeit in eine bewegliche, in eine Tätigkeit, die dem Auffassen von einem Real-Geistigen immer angemessener wird, dem kann dieser Hinweis sehr wohl weiterhelfen.      

 

Nun war das Alles natürlich nicht vollkommen neu, 

was Rudolf Steiner dort in der GA 232 im Jahr 1923 darstellte, denn bereits zu Beginn des vierten Kapitels der „Philosophie der Freiheit“ kann man die zu vertieftem Nachdenken anregenden Sätze lesen:

Durch das Denken entstehen Begriffe und Ideen. Was ein Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden. Worte können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, daß er Begriffe habe. 

Wirkliche Gedanken laufen also nicht in Worten ab. Das kann eigentlich Jeder nachvollziehen, der sich nicht nur oberflächlich mit der „Philosophie der Freiheit“ beschäftigt. Wirkliche Gedanken verlaufen in einem Abtasten des im menschlichen Innern verlaufenden sich vollziehenden nicht-sinnlichen, also übersinnlichen geistigen Gefüges. Das, was da empfunden wird, muss dann natürlich in Worte gefasst werden, wenn man sich mitteilen oder ein Buch schreiben will. 

 

Aber das ist dann eben nur eine Anweisung, dass auch der andere Mensch, 

dem man diese Sachen mitteilt, diese „Begriffe habe“ beziehungsweise in sich nachvollziehe. Dieser muss dann allerdings diese Begriffe aus diesen Worthülsen, die ihm nur dargereicht werden können –

weil der reale Geist nicht in ihn eingeflößt werden kann wie mit einem Nürnberger Trichter, weil eben dieser reale Geist nur durch Einen selbst in Einem selbst entstehen und – vielleicht – aus den dargereichten Worthülsen – auch einer „Philosophie der Freiheit“ – auferstehen kann – 

in sich neu erstehen lassen. Wenn er sie nur mit dem Kopf auffasst, bleibt die ganze Sache tot, und dem anderen Menschen bedeutet das, was ihm da – 

als Wort oder als gedruckter Buchstabe – 

mitgeteilt wird, nichts. Beziehungsweise nur so viel wie reinstes Chinesisch – wie Rudolf Steiner manchmal das Verständnis seiner Mitmenschen gegenüber seiner „Philosophie der Freiheit“ charakterisierend darstellte.    

 

Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ ist ein Erziehungsmittel, 

nicht mit dem Kopf, nicht mit dem physischen Leib, sondern mit dem Ätherleib denken zu lernen. Denn die gewöhnlichen Begriffe, die man mit dem Kopf denken kann im gewöhnlichen Leben und auch in der Wissenschaft –

darüber ist hier auf Umkreis-Online in den verschiedenen Rubriken viel geschrieben worden –

die beginnen schon seit langem auseinanderzufallen:         

Dies ist eben so. Und woher rührt das? Ja, das rührt eben davon her, weil in den letzten Jahren die Menschen durch die Entwickelung der Menschheit dazu gebracht worden sind, daß der Ätherleib anfangen soll zu denken. Und das wollen sie nicht, sie wollen mit dem physischen Leib weiter denken. Aber im physischen Leib fallen einem die Begriffe ganz auseinander. Und mit dem Ätherleib wollen sie nicht denken lernen. Selbständig denken wollen sie nicht lernen. 

Nun, sehen Sie, da ist es eben so, daß es notwendig geworden ist, daß ich im Jahre 1893 dieses Buch geschrieben habe über die Philosophie der Freiheit. Dieses Buch, «Die Philosophie der Freiheit», ist nicht so wichtig durch das, was drinnen steht. Natürlich, das, was drinnen steht, das wollte man schon auch dazumal der Welt sagen, aber das ist nicht das Allerwichtigste, sondern das Wichtige bei diesem Buche «Die Philosophie der Freiheit» ist, daß zum ersten Mal ganz und gar selbständiges Denken in diesem Buche ist. Kein Mensch kann das Buch verstehen, der nur unselbständig denkt. Er muß sich Seite für Seite, ganz von Anfang an, daran gewöhnen, zurückzugehen zu seinem Ätherleib, um solche Gedanken überhaupt haben zu können, wie sie in diesem Buche sind. Deshalb ist dieses Buch ein Erziehungsmittel – es ist ein sehr wichtiges Erziehungsmittel – und als solches muß man es auffassen.

Als das Buch erschienen war in den neunziger Jahren, da haben die Leute überhaupt nicht gewußt, was sie mit ihm machen sollen. Das ist für sie so gewesen, wie wenn einer in Europa chinesisch schreibt und kein Mensch das verstehen kann.

  

Aber auch im sozialen Leben der Völker untereinander ist bereits alles auseinandergefallen:

Europa ist auseinandergefallen wie ein alter Schrank: Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Serbien, Deutsch-Österreich, das ehemalige Deutschland, das ehemalige Russland, die Ukraine – das sind die Stücke, die Trümmer des Schrankes. Und die Westmächte bemühen sich, diese morsch gewordenen Trümmer des Schrankes wiederum zusammenzuschlagen mit Nägeln, die nicht halten werden.

Und nur die Hinwendung zur Geisteswissenschaft, auch auf sozialem Gebiet, wird Heilung bringen können. Man muss aber nicht glauben, dass das heute – auch wenn hier darauf hingewiesen wird – schnell gehen wird. Diese Zeiten sind vorbei. Die notwendige Perspektive und Zielrichtung bleibt aber dennoch erhalten.   

 

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