Rudolf Steiner zum Interesse der ahrimanischen und der luziferischen Mächte, das Geheimnis der Dreizahl zu verhüllen

 

GA 194 Seite: 19 

Nun können Sie sich denken, daß es durchaus im Interesse der ahrimanischen und der luziferischen Mächte liegt, dieses Geheimnis der Dreizahl zu verhüllen. Denn die richtige Durchdringung dieses Geheimnisses der Dreizahl befähigt ja die Menschheit, den Gleichgewichtszustand zwischen ahrimanischen und luziferischen Mächten herzustellen. Das heißt auf der einen Seite, alle Tendenz nach Freiheit, das Luziferische, zu benützen zu einem gedeihlichen Weltenziele, auf der anderen Seite das gleiche zu tun mit dem Ahrimanischen. Des Menschen normalster Geisteszustand besteht darin, in der richtigen Weise sich hineinzuversetzen in diese Trinität der Welt, in diese Struktur der Welt, insofern ihr die Dreizahl zugrunde liegt. 

Es bestand nun und besteht – wir werden die Quellen dieses Bestehens schon noch genauer morgen und übermorgen zu besprechen haben – einmal in dem, was auf das menschliche Geistes- und Kulturleben Einfluß hat, eine starke Tendenz, den Menschen zu verwirren in bezug auf diese Bedeutung der Dreizahl. Eine starke Tendenz besteht, den Menschen mit Bezug auf diese, wir dürfen sagen, heilige Dreizahl zu verwirren. Und wir können in der neueren Menschheitskultur sehr deutlich sehen, wie fast ganz zugedeckt wird diese Gliederung nach der Dreizahl durch eine Gliederung nach der ZweizahL Bedenken Sie nur einmal, daß man ja sogar, um den Goetheschen «Faust» richtig zu verstehen, wie ich das öfter hier auseinandergesetzt habe, wissen muß, daß bis in dieses gewaltige Weltengedicht hinein die Verwirrung mit Bezug auf diese Dreizahl spielt. Hätte Goethe zu seiner Zeit schon ganz durchschauen können, wie es sich eigentlich mit diesen Dingen verhält, dann hätte er nicht bloß dargestellt als den Gegner des Faust, als denjenigen, der Faust herabzieht, die mephistophelische Macht, sondern er hätte dieser mephistophelischen Macht, von der wir ja wissen, daß sie identisch ist mit der ahrimanischen Macht, gegenübergestellt die luziferische Macht, und es würden Luzifer und Mephistopheles als zwei Parteien im «Faust» auftreten. Das habe ich ja schon wiederholt hier ausgeführt. Man kann auch, wenn man die Goethesche Mephistopheles-Figur studiert, genau sehen, wie Goethe überall durcheinandergebracht hat in der Charakteristik des Mephistopheles das luziferische und das ahrimanische Element. Die Figur des Mephistopheles ist bei Goethe gewissermaßen aus zwei Elementen gemischt. Es ist keine einheitliche Gestalt. Es ist bunt durcheinandergeworfen das luziferische und das ahrimanische Element. Ich habe das in meinem kleinen Büchelchen «Goethes Geistesart» ausführlicher auseinandergesetzt. 

Diese Verwirrung, die also bis in den Goetheschen «Faust» hineinspielt, ist durchaus darauf begründet, daß nach einer gewissen Richtung hin – in älterer Zeit war es anders — in der neueren Menschheitsentwickelung sich der Wahn geltend gemacht hat, an die Stelle der Dreizahl, wenn man auf die Weltstruktur sieht, die Zweizahl zu setzen: das gute Prinzip auf der einen Seite, das böse Prinzip auf der anderen Seite, Gott und den Teufel. 

Denken Sie nur, daß wir also festzustellen haben: Will jemand sachgemäß in die Weltenstruktur hineinblicken, dann muß er die Dreizahl anerkennen, muß anerkennen, daß sich gegenüberstehen das luziferische und das ahrimanische Element, und daß das Göttliche besteht in dem Gleichgewichthalten zwischen beiden. Dem haben wir gegenüberzustellen den Irrwahn, der eingezogen ist in die Geistesentwickelung der Menschheit mit der Zweiheit, mit Gott und dem Teufel, mit den geistig-göttlichen Mächten oben und den teuflischen Mächten unten. 

Es ist so, wie wenn man den Menschen gewissermaßen hinausbringen, hinausquetschen würde aus der Gleichgewichtslage, wenn man ihm verhehlt, daß das eigentliche Heil des Weltenverständnisses in dem richtigen Auffassen der Dreizahl besteht, und wenn man ihm vormacht, daß irgendwie die Weltenstruktur bedingt sei durch eine Zweizahl. Dennoch ist bestes menschliches Streben diesem Irrtum verfallen. 

Will man auf diesen Punkt eingehen, dann muß man das gar sehr ohne alles Vorurteil tun, dann muß man wirklich einmal sich hinausversetzen in eine vorurteilslose Sphäre. Dann muß man gar sehr unterscheiden zwischen den Sachen und den Namen. Dann muß man sich nicht verführen lassen zu der Meinung: dadurch, daß man einer Wesenheit einen bestimmten Namen gibt, sei diese Wesenheit auch schon in der richtigen Weise vom Menschen empfunden. 

Seite: 164

Von dem Geheimnis, das da zugrunde liegt, hat die neuere Zivilisation so wenig ein Bewußtsein, daß man das Folgende sagen kann. Wir haben aus gewissen Gründen, über die ich vielleicht auch noch hier wiederum sprechen werde, diesen Bau «Goetheanum» genannt, als bauend auf Goethescher Kunst- und Erkenntnisgesinnung. Aber zu gleicher Zeit muß gerade hier gesagt werden: In dem Gegensatze, den Goethe in seinem «Faust» aufgerichtet hat zwischen den guten Machten und dem Mephistopheles, liegt derselbe Irrtum wie in Miltons «Verlorenem Paradies» : auf der einen Seite die guten Mächte, auf der anderen Seite die schlechte Macht Mephistopheles. In diesem Mephistopheles hat Goethe bunt durcheinandergeworfen das Luziferische auf der einen Seite, das Ahrimanische auf der anderen Seite, so daß in der Goetheschen Mephistopheles-Figur für den, der die Sache durchschaut, zwei geistige Individualitäten durcheinandergemischt sind, unorganisch durcheinandergemischt sind. Erkennen muß der Mensch, wie sein wahres Wesen nur ausgedrückt werden kann durch das Bild des Gleichgewichtes: Wie der Mensch auf der einen Seite versucht ist, gewissermaßen über seinen Kopf hinauszuwollen, hinauszuwollen in das Phantastisch-Schwärmerische hinein, hinauszuwollen in das falsch Mystische hinein, hinauszuwollen in all dasjenige, was phantastisch ist. Das ist die eine Macht. Die andere Macht ist diese, die den Menschen gewissermaßen herunterzieht in das Materialistische, in das Nüchterne, Trockene und so weiter. Nur dann verstehen wir den Menschen, wenn wir ihn auffassen seinem Wesen nach als strebend nach dem Gleichgewichte zwischen, sagen wir, auf dem einen Waagebalken dem Ahrimanischen, auf dem anderen Waagebalken dem Luziferischen.

Der Mensch hat fortwährend die Gleichgewichtslage zwischen diesen beiden Mächten anzustreben, zwischen demjenigen, das ihn hinausführen möchte über sich selbst, und demjenigen, das ihn herabziehen möchte unter sich selbst. Nun hat die neuere Geisteszivilisation verwechselt das Phantastisch-Schwärmerische des Luziferischen mit dem Göttlichen. So daß in dem, was als Paradies geschildert wird, in der Tat die Schilderung des Luziferischen vorliegt, und daß man die furchtbare Verwechselung begeht zwischen dem Luziferischen und dem Göttlichen, weil man nicht weiß, daß es darauf ankommt, die Gleichgewichtslage zwischen zwei den Menschen nach der einen oder nach der anderen Seite hin zerrenden Mächten zu halten. 

Diese Tatsache mußte zunächst aufgedeckt werden. Wenn der Mensch streben soll nach demjenigen, was man das Christliche nennt, worunter aber heute sonderbare Dinge oftmals verstanden werden, dann muß er sich klar sein, daß dies nur ein Streben sein kann in der Gleichgewichtslage zwischen dem Luziferischen und dem Ahrimanischen, und daß namentlich die drei bis vier letzten Jahrhunderte so sehr ausgeschaltet haben die Erkenntnis des wirklichen Menschenwesens, daß man von dem Gleichgewichte wenig weiß und das Luziferische umgetauft hat in das Göttliche in dem «Verlorenen Paradies», und einen Gegensatz gemacht hat aus dem Ahrimanischen, der kein Ahriman mehr ist, aber der zum modernen Teufel oder zur modernen Materie oder zu irgend etwas dergleichen geworden ist. Dieser Dualismus, der in Wirklichkeit ein Dualismus ist zwischen Luzifer und Ahriman, dieser Dualismus spukt im Bewußtsein der modernen Menschheit als der Gegensatz zwischen Gott und dem Teufel. Und das «Verlorene Paradies» müßte eigentlich aufgefaßt sein als eine Schilderung des verlorenen luziferischen Reiches, es ist nur umgetauft. 

So stark muß man heute in den Geist der neueren Zivilisation hineinweisen, weil es nötig ist, daß die Menschheit sich klar werde darüber, wie sie auf eine abschüssige Bahn – es ist eine historische Notwendigkeit, aber Notwendigkeiten sind doch auch dazu da, daß man sie begreift -, wie sie auf eine abschüssige Bahn gekommen ist und, wie gesagt, nur durch die radikalste Kur wiederum aufwärts kommen kann. Oftmals versteht man heute unter der Schilderung der geistigen Welt eine Darstellung dessen, was übersinnlich ist, was aber nicht lebt hier auf unserer Erde. Man möchte mit einer geistigen Anschauung flüchten von dem, was uns hier auf unserer Erde umgibt. Man weiß nicht, daß man – indem man also flieht in ein abstraktes geistiges Reich – gerade nicht den Geist, sondern die luziferische Region findet. Und manches, was sich heute Mystik nennt, was sich heute Theosophie nennt, ist ein Aufsuchen der luziferischen Region. Denn das bloße Wissen von einem Geiste, das kann dem heutigen Geistesstreben der Menschen nicht zugrunde liegen, weil es angemessen ist diesem heutigen, diesem gegenwärtigen Geistesstreben, zu erkennen den Zusammenhang zwischen den geistigen Welten und der Welt, in die wir hineingeboren werden, um zwischen der Geburt und dem Tode in ihr zu leben. 

 

  

Hat Ihnen dieser Artikel etwas gegeben? Dann geben Sie doch etwas zurück! – Unterstützen Sie das Freie Geistesleben, also zum Beispiel meine Arbeit im Umkreis-Institut durch eine

Spende! 

Das geht sehr einfach über eine Überweisung oder über PayPal.

Sollte Ihnen aber Ihre Suchmaschine diesen Artikel nur zufällig auf den Monitor geworfen haben, Sie das Alles sowieso nur für (elektronisches) Papier beziehungsweise nur für Worte – also für Pille-Palle – halten, dann gibt es 

hier 

einen angenehmen und lustigen Ausgang für Sie.

Falls Ihnen dieser Artikel jedoch unverständlich, unangebracht, spinnig oder – noch schlimmer – „esoterisch“ vorkommen sollte, gibt es vorerst wohl nur eine Lösung, nämlich die Seite Umkreis-Online weiträumig zu umfahren. Also:  

Don‘t touch that!