Die Trennung von Wirtschaft und Politik ist eine Forderung der Zeit

von Ingo Hagel 

Prof. Hans-Joachim Selenz war Vorstand bei der Preussag AG. Er sollte eine gefälschte Bilanz unterschreiben, der betrügerische Betrag – in Form vorgetäuschter operativer Erträge – beläuft sich auf 2,5 Milliarden DM. Als er dies verweigert, wird er entlassen.

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Hier berichtet Prof. Selenz von dem Versuch, ihn mit einer Million DM zu bestechen – natürlich steuerfrei nach BAT (= Bar Auf die Tatze). Auf die Frage, warum er dies ablehnte, sagt er, wenn man so etwas einmal macht, wird man „Teil eines mafiösen Systems“ und ist nicht mehr Herr seines eigenen Willens.

Prof. Selenz vermutet, dass er wahrscheinlich der erste Vorstand einer großen DAX Gesellschaft ist, der es abgelehnt hat, eine gefälschte Bianz zu unterschreiben. Die beruflichen Konsequenzen für Selenz waren dramatisch: Er wurde abberufen als Vorstand der Preussag und verlor auch danach noch zweimal seine Position in der Industrie aufgrund von Intrigen. Wie er sagt: „Weil ich die Regeln der Mafia nicht mitgespielt habe.“

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So ist es auch verständlich, dass Prof. Selenz ab 25. Dezember 1997 Polizeischutz durch die Niedersächsische Landesregierung wegen des „speziellen“ Umfeldes des West LB-Chefs Friedel Neuber erhielt.

Und in folgendem Clip berichtet er:

– von deutschen Staatsanwälten, die am Ende ihrer Karriere ankommen würden, wenn sie einfach nur ihre Pflicht täten.

– von Staatsanwälten in Hannover, denen Selenz von den Betrügereien der Preussag erzählte, und die auf der Welle ihres Angstschweißes den Raum schwimmend hätten verlassen können – da sie genau wussten, sie hätten eigentlich tätig werden müssen. Aber sie wollten nicht ihre staatsanwaltliche Pflicht tun – wegen der Karriere ….

– über die Betrügereien der Norddeutschen Landesbank, durch die die gutgläubigen Aktionäre viel Geld verloren. Diese Vergehen hatten für deren Vorstände keinerlei Konsequenzen.

Der deutsche Richterbund spricht von „Regierungskriminalität“, die nicht verfolgt wird.

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In einem kürzlich erschienenen Beitrag in der Spree-Zeitung wird daher völlig konsequent die Frage gestellt, ob denn unser Rechtssystem überhaupt noch funktioniert:

In einem ganz wesentlichen Bereich funktioniert unser Rechtssystem nicht. Davon zeigt sich der Wirtschaftsethiker Prof. Hans-Joachim Selenz überzeugt. Eingriffe, wie sie derzeit von der Politik vorgenommen werden, seien zutiefst undemokratisch. Vor Gericht gehe es offensichtlich nicht um die Wahrheit, sondern oftmals um Vertuschung.

Prof. Selenz kritisiert auch hier die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte. Dieser darf nämlich nur die Gesetzesverstöße verfolgen, die ihm der zuständige Politiker, das heißt der Justizminister des jeweiligen Bundeslandes erlaubt. Diese Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte ermöglicht die Niederschlagung selbst schwerstkrimineller Straftaten – wenn die Politik, es so will. Und die Spree-Zeitung schreibt, dass daher der Deutsche Richterbund, die Standesvertretung der deutschen Richter und Staatsanwälte, schon seit Jahren die sofortige Abschaffung dieser politischen Weisungsabhängigkeit der Staatsanwälte fordert.

 

Trennung von Wirtschaft und Politik ist eine Forderung der Zeit

Damit sind wir mal wieder an dem Punkt, an dem man an den Phänomenen der Zeit die große Forderung bestätigt sehen kann, die Rudolf Steiner bereits vor fast hundert Jahren vertrat: nämlich die Forderung einer Trennung des Wirtschaftslebens vom Rechtsleben (Politik) und dazu die Etablierung eines freien Geisteslebens. Das Rechtsleben ist heute unfrei, weil die mit der Wirtschaft verfilzte Politik es am Gängelband hat und damit das Recht beugen kann. Was wir also haben ist nicht ein Rechtsstaat sondern ein Unrechts-Staat.

Dagegen werden keine Appelle und Petitionen an Politiker helfen sondern einzig und allein die Trennung der oben genannten Bereiche Wirtschaftsleben, Rechtsleben und Geistesleben in völlig selbständige und souveräne Teile des gesamtgesellschaftlichen Organismus, in die keiner aus einem anderen Bereich Verfügungsgewalt hat. Ich habe das ja verschiedentlich hier auf Umkreis-Online beschrieben.

Natürlich wehrt sich die mit dem Wirtschaftsleben verfilzte Politik gegen jeden Versuch einer Reform. Prof. Selenz schreibt über die Arbeit des von ihm gegründeten Vereins Cleanstate:

Wir versuchen, zumindest Teile der politischen Parteien dafür zu gewinnen, sich unsere Ziele auf die Fahnen zu schreiben – oft müssen sie leider erst ihre eigenen Reihen säubern.

 

Wirtschaft ist ein gigantisches Krebsgeschwür

Die Probleme und Phänomene, die in den obigen Clips Prof. Selenz, Jürgen Roth und andere schildern, gehören zu diesem Symptomenkomplex, der dann entstehen muss, wenn die Wirtschaft – zu der heute die alles dominierende Finanzwirtschaft zu zählen ist – versucht, das gesamte gesellschaftliche Leben – wozu auch das Rechtsleben gehört -sich unter ihre eigene Bedürfnisse unterzuordnen. Dabei entsteht dann dieses geschilderte gigantische Krebsgeschwür, das alle anderen menschlichen Lebensbereiche innerhalb einer Gesellschaft korrumpiert und ruiniert.

Wie viele empörte Kommentare finden sich nicht unter diesen Clips auf YouTube, unter den verschiedenen Berichten in den Medien über die Korruption in Deutschland, wie viele entsetzte Kommentare, die natürlich berechtigt sind mit Blick auf diese korrupten Machenschaften des Wirtschaftslebens und der mit ihr verfilzten Politik. Aber man muss sehen, dass das einzige Mittel, welches gegen diese Machenschaften des Wirtschaftslebens helfen kann, nur das eine ist, Wirtschaftsleben und Rechtsleben voneinander zu trennen und dazu ein freies und selbstständiges Geistesleben zu etablieren. Wirtschaft und Politik sind heute zum Schaden der Menschen miteinander verbunden. Dabei hat sich die Wirtschaft – speziell die Finanzwirtschaft – das Rechtsleben immer mehr untergeordnet. Die oben geschilderten Phänomene – sowie das aktuelle politische Geschehen – sind dafür ein deutliches Zeugnis. Weil dem so ist, haben wir diese Zustände, die die Menschen in berechtigter Weise sich mit Blick auf ihr Rechtsempfinden empören lassen. Aber dagegen hilft nur die Trennung von Wirtschaftsleben und Politik – und dazu brauchen wir außerdem ein freies Geistesleben. Das heißt, wir brauchen das, was von Rudolf Steiner als Soziale Dreigliederung beschrieben worden ist.

Man darf sich über eine Sache nicht und niemals hinwegtäuschen: das Wirtschaftsleben wird immer nach Zuständen und Verhältnissen streben, die dem Rechtsleben der Menschen und ihrem Bedürfnis nach Kultur zuwiderlaufen. Das Wirtschaftsleben wird immer versuchen, sämtliche in einer Gesellschaft zur Verfügung stehenden Gelder und Kapitalmassen unter seine alleinige Verfügungsgewalt zubekommen, so dass diese nicht mehr anderen Bereichen der Gesellschaft, der Kultur und so weiter zugute kommen können. Das liegt einfach in der Natur des Wirtschaftslebens.

Schaut man sich die heutige industrielle Art der Produktion an, so kann es auch verständlich erscheinen, dass die Wirtschaft nach großen Kapitalmassen strebt, denn ohne diese kann man heute kaum mehr eine großangelegte Produktion beginnen und sichern. Aber die Wirtschaft ist im sozialen Leben der Menschen einer Gesellschaft nicht alles, und man muss verhindern, dass diese Wirtschaft einzig und allein der Profitgier und Bereicherung der Wirtschaftenden dient. Man muss dies aber von außen verhindern, dass das Wirtschaftsleben letztlich nach vollständig korrupten Verhältnissen strebt, die nur noch der eigenen Bereicherung dienen und nicht mehr der berechtigten Forderung der Gesellschaft nach Produkten, die dem menschlichen Leben dienen.

Es entstehen also durch das Wirtschaftsleben, durch dessen eigene Konstitution, auf ganz natürliche Weise Zustände, die den übrigen und ebenfalls berechtigten Lebensbereichen der menschlichen Gesellschaft völlig widerstreben und diesen schaden müssen, das heißt dem Rechtsempfinden der Menschen und deren Bedürfnis nach Kultur und einem selbstständigen, freien Geistesleben. Irgendwelche Appelle an das Wirtschaftsleben – oder an Politiker -, dass es sich doch nun bitte anständig verhalten soll, sind illusorisch. Sie sind genauso illusorisch, wie wenn man den Darm im Menschen bitten würde, er solle doch nicht immer nur verdauen und aufgenommene Nahrungsmittel zerstören, er solle doch einmal auch dem Denken dienen, so wie das Gehirn es tut. Das wird und kann niemals geschehen, weil die konstitutionellen Verschiedenheiten eben einfach gegeben sind und notwendig sind, um dem, was der ganze Mensch ist – beziehungsweise der gesamte soziale Organismus – zu dienen. So muss einfach das Wirtschaftsleben als Wirtschaftsleben arbeiten, und man darf von ihm nicht fordern, dass es im Sinne des Rechtsleben oder als freies Geistesleben denken und arbeiten soll. Man muss daher in einem gesunden gesellschaftlichen Organismus das Recht, die Kultur und den Geist aus anderen selbstständigen Bereichen diesem sozialen Organismus und dem Wirtschaftsleben zukommen lassen, und nicht aus dem Wirtschaftsleben selber. Das Wirtschaftsleben wird daher nur mit der Wirtschaft zu tun haben dürfen, und der Rechtsstaat muss aus einem völlig selbstständigen, souveränen Gebiet hinzukommen, das eben ein vom Wirtschaftsleben befreites Rechtsleben, Staatsleben, politisches Leben – wie man es auch nennen will –  ist. Und dazu muss es ein freies Geistesleben geben.