Die Taufe der Jüngsten 

 

von Stella Hagel

 

Wir begehen die Taufe von Clarissa, der dritten Tochter meines Bruders. Die Taufe findet in der Christengemeinschaft in Basel statt. Es ist still und feierlich, eine kleine Gemeinschaft von Freunden und Bekannten und auch ein paar Kinder sind anwesend, unser Taufkind verhält sich ruhig. Die Familie ist schon recht groß. Da sitzt Damaris, die große Halbschwester, dann kommt Sophia, dreieinhalb Jahre, und Alexandra, zweieinhalb Jahre, befindet sich auf Papas Schoß. Die Taufe beginnt, die Priesterin ist eingetreten, da rutscht Alexandra, die sonst nie ein Aufhebens von sich macht, für alle unerwartet, zielsicher und nicht zu bremsen aus Papas Armen und von seinem Schoß herunter. Geschickt weicht sie seinen Versuchen aus, sie wieder einzufangen und krabbelt auf allen Vieren vor dem Altar herum. Die Taufgemeinde verfolgt mit Spannung ihr Tun. Alexle schickt sich an, die Stufe zum Altar hinaufzukrabbeln. Der Papa springt erschrocken auf, versucht nochmals, die Ausreißerin einzufangen. Würdevoll hebt die Priesterin die Hand und bedeutet ihm, das Kind zu lassen. Die Spannung löst sich, denn Alexandra entschließt sich, nicht zum Altar hochzuklettern, sondern kommt wieder zurückgekrabbelt. Nach kurzer Zeit ist sie am Tauftischchen angelangt und krabbelt drunter. Dort hockt sie zunächst ganz ruhig, bis sie den Zipfel des Deckchens entdeckt, auf welchem Wasser, Salz und Asche stehen. Da hebt sie ihr Ärmchen, um daran zu zupfen. Der Taufgemeinde wird’s heiß. Der Papa kann nicht mehr an sich halten, springt erneut so unauffällig wie möglich auf und versucht, Schlimmeres zu verhindern. Alexandra aber krabbelt blitzschnell unter dem Tisch hervor, entwischt dem Papa wieder, krabbelt nun an einen ungefährlichen Ort und bleibt dort friedlich sitzen. Man schenkt erleichtert der Taufe wieder größere Aufmerksamkeit. Da durchbricht Alexandras Stimmchen die Stille. Laut und melodisch erklingt der eigenartige Name des schottischen Aupairmädchens (aus der Familie meiner Schwester): „Abigail“. Sehr musikalisch im Tief-Hoch-Tief-Singsang. „Abigail“. Der Klang des Namens muss Alexandra faszinieren. Die Taufgemeinde kämpft mit einem Lachanfall. Bei mir ist es besonders schlimm. Ich bin dem Ersticken nahe und ringe sehr nach Fassung. Kaum kommen wir wieder zur Ruhe und können uns auf die Taufe konzentrieren, da erklingt wieder die putzige kleine Melodie: „Abigail“. Augenblicklich muss ich mich wieder schrecklich zusammennehmen. Das Spielchen wird mehrere Male durchgespielt, es fängt immer dann an, wenn wir uns gerade beruhigt haben. Und bei allem ist Alexandra völlig in sich versunken, als wäre sie ganz allein. Nichts liegt ihr nämlich ferner, als sich in den Vordergrund zu spielen.