Die NATO und ihre schmutzigen Tricks im Libyen-Krieg

von Webster Tarpley (Übersetzung: Ingo Hagel)

 

Press TV: Sie haben die Ereignisse, die sich im Moment in Libyen abspielen „eine sorgfältig und zynisch geplante militärische Operation des NATO Oberkommandos genannt; die USA spielen eine sehr wichtige Rolle dabei“. Können Sie näher darauf eingehen?

Webster Tarpley: Nun, wenn wir einfach einen Blick werfen auf die Ereignisse, die über das Wochenende stattgefunden haben als NATO-Operation „Mermaid Dawn“  oder „Operation Sirene“, dann haben wir zuerst einmal die ganzen flächendeckenden Bombardierungen der Gegenden um Tripolis von der Royal Air Force; diese brüsten sich nun über die Wirksamkeit ihrer Geschosse, der Brimstone Missiles. Es gibt eine Menge getöteter Zivilisten dort.

Wir hatten die Apache-Helikopter, die benutzt werden, um Zivilisten mit Maschinengewehren aus der Luft abzuschießen, wenn diese dem Vorrücken der Al-Kaida-Rebellen (s. dazu auch hier; Anmerkung IH) im Weg waren.

Dann hatten wir die amphibische Landung einer Reihe von Kriegsschiffen – eine NATO-Flotte, die vor der Küste stand, die irgendwie aussah wie – vielleicht nicht wie die Invasion der Normandie, aber so wie bei dem Überfall auf Dieppe (1942) oder etwas ähnliches. Das waren Al-Kaida Kämpfer unter dem Kommando europäischer Offiziere, und wenn ich sage Al-Kaida, dann schließt das in weitestem Sinne die libysche islamische Kampfgruppe ein (Libyan Islamic Fighting Group; Anmerkung IH).

Dann gab es dieses abgesprochene Signal „Nieder mit Gaddafi“, das einige abtrünnige Moscheen beim Ruf zum Gebet am Ende der Fastenzeit ausgegeben hatten. Und dieses war das Signal gewesen für die Todesschwadronen, die die Stadt infiltriert hatten, sich zu erheben.

Es gab eine Reihe von gefälschten SMS- und Text-Nachrichten. Auch bombardierte die NATO die Fernsehstation von Gaddafi.

Dann gab es diese bizarre Serie von gefälschten Berichten, dass Gaddafi das Land verlassen hätte; dass Saif (Gaddafis Sohn, der das Kommando hat) gefangen genommen worden sei (siehe dazu zum Beispiel den Bericht von Jürgen Elsässer; Anmerkung in IH); dass Mohammed (Gaddafi) gefangen genommen worden sei sowie andere Söhne von Gaddafi; dass Khamis (ebenfalls ein Sohn von Gaddafi; Anmerkung IH) gefangen genommen worden sei, nachdem seine Truppe gemeutert haben sollte und sich weigerte zu kämpfen. Es war alles gefälschte Berichterstattung (mit den Lügen, die von deutschen Medien über den Libyen Krieg verbreitet werden, hat sich zum Beispiel die Seite Hinter der Fichte auseinandergesetzt; siehe auch den Beitrag von Thomas C. Mountain Die Kriegslügen über Libyen sind schlimmer als die über den Irak, oder den Beitrag der Jungen Welt über den Kolonialkrieg gegen Libyen, und die Seite Hintergrund berichtet, dass „dass die von der NATO angeführte Invasion trotz der kriegstechnischen Überlegenheit und des massiven Einsatzes von propagandistischen Falschmeldungen bislang als ein Fehlschlag auf ganzer Linie bezeichnet werden muss“, um nur einige wenige Beispiele aus den freien Medien zu nennen; Anmerkung IH).

Und dann gab es – um diese Sache abzuschließen – dieses höchst erstaunliche Filmatelier, das die NATO mit der Hilfe von Doha und Qatar geschaffen hatte als Äquivalent eines Hollywood-Sets, das geschaffen worden war, um den Grünen Platz in Tripolis nachzuahmen.

Diese Gebäude des Grünen Platzes sind sehr alt, einige von ihnen stammen aus der Zeit des Römischen Reiches – ich bin in der Tat in einigen von ihnen gewesen – aber Sie schufen dies in Doha, und wenn sie nachsehen, dann gibt es einen sehr interessanten Vergleich im Internet, wo gezeigt wird, wie der Grüne Platz wirklich aussieht, und wie dieser gefälschte Set aussieht; er ist ziemlich ähnlich, aber es gibt eine Menge verräterischer Hinweise, die zeigen, dass dies ebenfalls eine Fälschung war. Bei dem ganzen handelt es sich also um eine ungeheuere Gehirnwäsche, um psychologische Kriegsführung, und diese hatte (in der Weltöffentlichkeit; Anmerkung IH) eine erstaunliche Wirkung.

Aber: Da sie (die NATO; Anmerkung IH) nicht in der Lage war, mit dieser „Pöbel-Armee“ alles zu schaffen, was sie eigentlich vorgehabt hatten, so gibt es nun in den letzten Tagen eine Tendenz, dass sich die Gaddafi Truppen neu formieren und zurückschlagen, aber auf eine andere Weise. Sie halten keine festen Linien; sie versuchen nicht, einen Gebäudekomplex oder eine Stadt oder ähnliches zu verteidigen, viel mehr engagieren sie sich in einer Kriegsführung der Bewegung, einem städtischen Häuserkampf, in dem die vorhergehenden Vorteile der Al-Kaida Leute – der Bengasi-Rebellen – weitgehend verlorengehen.

Ich denke, die wirklich große Frage ist: wie viele Rebellen wurden in diesen großen Operationen getötet? Ihre Versorgung ist nicht endlos; ich denke, die Truppen von Gaddafi haben den Rebellen eine große Zahl an Verlusten eingebracht.

Und ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis einige dieser Rebellen sich entscheiden, nach Hause zu gehen; sie haben geplündert, was zu plündern ging; vielleicht wollen sie ihre Beute nehmen und nach Hause gehen. Ich denke, ihre Zahl wird sich verringern, und diejenigen, die zurückbleiben, werden beginnen, sich gegenseitig zu töten, denn dies ist die Natur dieser reissenden Bestie.

Press TV: Zuerst waren viele der Politiker in Amerika in der Tat gegen die Beteiligung von Obama in Libyen, aber mittlerweile scheint es, dass viele sich von ihnen für diese Idee erwärmt haben. Was glauben diese wohl, was die Vereinigten Staaten für diese „humanitäre Aktion“ in Libyen zurückbekommen werden?

Webster Tarpley: Sie glauben, wir können den amerikanischen Imperialismus aufpolieren; dass man nun auftreten kann als der Held für Menschenrechte und so weiter. Das ist absolute Demagogie der schlimmsten Art.

Ein Sieg hat viele Väter – aber dies ist kein Sieg. Einige der Leute, die mit Blick auf diesen Krieg in Libyen ihre Vaterschaft behaupten, werden sie verleugnen, denke ich, in dem Moment, in dem sie sehen, was dort geschieht.

Warum sollte sich dieses unterscheiden von Afghanistan oder dem Irak? Da kommt ein Fremder vom anderen Ende der Welt und versucht, den Menschen ein Gesetz für Außerirdische aufzudrücken, in diesem Fall auf ein Volk von sehr stolzen Menschen mit einer Tradition der Unabhängigkeit. Erinnern Sie sich: Sie gaben bis zu 1 Million an Opfern, um die Italiener aus Libyen herauszubekommen (s. dazu hier; Anmerkung IH). Sie waren die ersten in der Welt, denen man Giftgas verabreichte (gemäß Wikipedia bombardierte bereits die italienische Luftwaffe in den Jahren 1924-1930 wiederholt die Zivilbevölkerung in Libyen mit Giftgasbomben; Anmerkung IH). Sie können General Graziani von den Italienern fragen, wie es ist, Libyen zu befrieden – es ist überhaupt nicht einfach (die ZEIT beschreibt Feldmarschall Graziani im Krieg der Italiener gegen Libyen als „skrupellosen Kriegsherrn, der über Leichen geht“; Anmerkung IH).

Diese potemkinschen Kämpfer, dieser Rat der Rebellen von Bengasi – ihre bewaffneten Truppen sind ja das Geringste von allem, sie sind einfach etwas, was ins Fernsehen gesetzt wird. Die Schwerarbeit wird von der NATO gemacht, das war NATO, NATO, NATO, mit ein paar extra Statistenauftritten (der Bengasi-Rebellen, Anmerkung IH), nur um es glaubwürdig für die internationale öffentliche Meinung zu machen.

Aber ich denke, militärisch wird dies für eine sehr lange Zeit weitergehen. Da gibt es diese große Provinz Fezzan im Süden. Die Menschen sind schwarz – sie sind Libyer, sie sind Araber, und sie sind schwarz – sie werden nicht das Joch des rassistischen Bengasi-Rebellenrates annehmen.

Erinnern Sie sich, diese Leute aus Bengasi zeichneten sich – wenigstens zu Beginn der ganzen Sache – dadurch aus, dass sie Schwarzafrikaner – aus Mali oder dem Tschad oder von wo auch immer – lynchten und massakrierten. Oder wenn man ein schwarzer Libyer war – schwarz zu sein in Bengasi war ein Kapitalverbrechen – dann wurde einem gesagt, man sei ein Söldner von Gaddafi, und um diese hat man sich dann dementsprechend gekümmert.




Anmerkung: Zu den oben erwähnten verschiedenen Falschmeldungen der Presse siehe auch folgende Berichte von Webster Tarpley (in deutscher Sprache):






Hier die Homepage von Webster Tarpley.