Die drei Wege der Seele zu Christus

 

von Ingo Hagel 

 

Die Einleitung und Unterlage zu diesem Artikel gibt es hier. Über dieses Thema sprach Rudolf Steiner im Grunde genommen bereits in einem Vortrag in Stockholm im Jahre 1912, nachdem er den ersten Weg der Seele zum Christus,     

der heute kein Weg mehr ist, es aber war – 

beschrieben hatte:

Der zweite Weg, auf dem die Menschenseele den Christus suchen kann, ist der, den man nennen kann den Weg durch innere Erfahrung, den vorzugsweise zahlreiche Seelen in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft aus ihrer besonderen Beschaffenheit und ihren besonderen Eigenschaften heraus gehen müssen.

 

Die Ausführungen, die Rudolf Steiner hier macht, sind einschneidend: 

Es gibt viele Menschen, die aufgrund ihrer geistig-seelischen Veranlagung 

in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft aus ihrer besonderen Beschaffenheit und ihren besonderen Eigenschaften heraus

überhaupt nicht dazu kommen können, durch die Aufnahme und Erarbeitung der anthroposophischen Ideen – 

deren Grundlage und „Unterbau“ durch die Ideen der „Philosophie der Freiheit“ gegeben sind –

zu einer spirituellen Neugestaltung und Umschmelzung ihrer eigenen Weltanschauung, aber auch ihrer Berufe und ihres sozialen und geistigen Lebens kommen können. –

Diesbezüglich muss natürlich immer wieder gesagt werden, dass nicht Jeder ein Geistesforscher werden muss. Das Verstehen der Anthroposophie mit dem gesunden Menschenverstand genügt schon. – Rudolf Steiner dazu (GA 78 S. 148): 

Gewiß, es kann nicht jeder heute schon zur Imagination, zur Inspiration, zur Intuition aufrücken. Dasjenige aber, was wir in alle diese Erkenntnisstufen hinein auch als Geistesforscher mitnehmen, das ist das Denken, das einen Gedanken aus dem andern mit innerer Notwendigkeit entwickelt. Dieses Denken kann nun jeder Mensch, der sich ihm unbefangen hin-geben will, erleben. Und daher kommt es, daß alle geisteswissenschaftlichen Resultate stets, wenn sie gefunden sind, auch durch das reine Denken nachgeprüft werden können, weil der Geistesforscher dieses reine Denken in alle seine Vorstellungselemente mit hineinnimmt.

Das hätte sehr viel Leiden ersparen helfen können. Bereits durch die denkende Aufnahme der Ideen der Anthroposophie –

das heißt des Beginns des dritten Weges der Seele zu Christus –   

sowie der Sozialen Dreigliederung

Rudolf Steiner dazu:

Diese Dinge, die heute auch in einer anderen Form durch das Programm der «Dreigliederung des sozialen Organismus» verkündet werden, die sind heute das Christentum, die sind heute in äußerliche Formen gekleidete geistige Offenbarungen. –

hätte man auf gedanklichem Wege sehr Vieles vorausschauend kommen sehen und entsprechend gegensteuern können. So bleibt für Viele nur derjenige Weg der „inneren Erfahrung„, der sich allerdings wohl nur am Erleiden der äußeren Zustände –

die auf die Erfahrung immer größerer Katastrophen zulaufen – 

ausbilden und ergeben wird.     

  

Dieser Weg der „inneren Erfahrung“, den Rudolf Steiner oben anspricht, den

zahlreiche Seelen in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft aus ihrer besonderen Beschaffenheit und ihren besonderen Eigenschaften heraus gehen müssen,

wird nicht der Weg der Initiation, also der Anthroposophie sein, er wird auch nicht der Weg der „Philosophie der Freiheit“ sein, auf dem das Denken „innere Erfahrung“ wird, also Wahrnehmungscharakter erhält. 

Nein, dieser Weg der „inneren Erfahrung“, den Rudolf Steiner oben anspricht, wird angeregt werden durch die äußere Erfahrung. Erfahrung heißt immer, dass von außen Einem Irgendetwas zustößt und in den Kreis der Beobachtungen eintritt. Man macht neue Wahrnehmungen, indem man auf Irgendetwas auf- oder anstößt, von dem man bis dahin vielleicht dachte, dass es nicht da war – man sich also auch nicht darum kümmern musste. Nun, da dieses vorher nicht beachtete Ding sich in den Kreis der Wahrnehmungen gedrängt hat, wird man selber gedrängt, diese neuen Wahrnehmungen durch das Denken auf den Begriff zu beziehen, der dazugehört. 

 

Das wurde alles schon prinzipiell und auf Seite 106 zusammenfassend 

in dem Buch beschrieben, das Rudolf Steiner einen Unterbau für Späteres“ nannte –         

also die Anthroposophie –

wurde also in der „Philosophie der Freiheit“ (GA 4) beschrieben: 

In dem Augenblicke, wo eine Wahrnehmung in meinem Beobachtungshorizonte auftaucht, betätigt sich durch mich auch das Denken. Ein Glied in meinem Gedankensysteme, eine bestimmte Intuition, ein Begriff verbindet sich mit der Wahrnehmung. Wenn dann die Wahrnehmung aus meinem Gesichtskreise verschwindet: was bleibt zurück? Meine Intuition mit der Beziehung auf die bestimmte Wahrnehmung, die sich im Momente des Wahrnehmens gebildet hat. …

Und auf Seite 107:

Die volle Wirklichkeit eines Dinges ergibt sich uns im Augenblicke der Beobachtung aus dem Zusammengehen von Begriff und Wahrnehmung. 

 

Dazu bedarf es allerdings bestimmter Voraussetzungen, 

wie auf Seite 108 der „Philosophie der Freiheit“ ausgeführt wird:

Ein Mensch, dem jedes Intuitionsvermögen fehlt, ist nicht geeignet, sich Erfahrung zu erwerben. Er verliert die Gegenstände wieder aus seinem Gesichtskreise, weil ihm die Begriffe fehlen, die er zu ihnen in Beziehung setzen soll. Ein Mensch mit gut entwickeltem Denkvermögen, aber mit einem infolge grober Sinneswerkzeuge schlecht funktionierenden Wahrnehmen, wird ebensowenig Erfahrung sammeln können. Er kann sich zwar auf irgendeine Weise Begriffe erwerben; aber seinen Intuitionen fehlt der lebendige Bezug auf bestimmte Dinge. Der gedankenlose Reisende und der in abstrakten Begriffssystemen lebende Gelehrte sind gleich unfähig, sich eine reiche Erfahrung zu erwerben. 

 

Die Angehörigen der heutigen hochgelobten westlichen Kultur – 

also unsere westlichen Werte“ – die gerade dabei sind, sich selbst ad abstrusum zu führen und die westlichen Gesellschaften in den Niedergang zu treiben –

gleichen diesen „gedankenlos Reisenden“ –

die nicht auffassen und wahrnehmen können und wollen, was um sie herum geschieht –

sowie den in „abstrakten Begriffssystemen lebenden Gelehrten“ –

die mit völlig abgehobenen Prinzipien und Grundsätzen glauben, diese Welt und diese Gesellschaften zu etwas Gedeihlichem führen zu können. – 

 

Man hätte vorher sein Denken aktivieren müssen, 

wo die Erfahrung noch nicht harte Erfahrung war, sondern „nur“ Gedanke –

zum Beispiel eben in der Aufnahme der anregenden Gedanken der Anthroposophie und der Sozialen Dreigliederung –

aber das ging nicht. –

Über die Gründe dieses dekadenten, das heißt von den geistigen Erfordernissen der Zeit herunter- und abgefallenen Verhaltens siehe zum Beispiel auch hier auf Umkreis-Online. –

Nun wird man also den Weg der gedanken- und geistlosen Erfahrung der äußeren Dinge dieser Welt gehen, der dann aus dem Schmerz Bewusstsein hervorbringt. Das Alles ist in vielen Beiträgen hier und hier auf der Seite von Umkreis-Online immer wieder ausgeführt worden.

 

Mit Blick auf die in der „Philosophie der Freiheit“ dargestellte freie Handlung aus dem reinen Denken heraus  

sagte Rudolf Steiner, dass diese Philosophie einen „Unterbau“ darstellt „für ein Späteres(GA 205 S. 96):              

Das freie Leben, das in uns ist, ist dem Denken nach kein reales Leben, sondern indem wir das reine Denken haben und aus dem reinen Denken heraus den Willen zur freien Tat entwickeln, erfassen wir im reinen Denken die Realität an einem Zipfel. Aber da, wo wir selbst aus unserer Substanz dem Bilde Realität verleihen, da ist die freie Handlung möglich. Das wollte ich schon in meiner «Philosophie der Freiheit» 1893 darstellen auf rein philosophische Weise, um eben einen Unterbau zu haben für ein Späteres.

Das „Spätere“ ist die Anthroposophie – also das, was Rudolf Steiner als den dritten Weg der Seele zu Christus bezeichnete. 

 

Vielen Mitgliedern der anthroposophischen Gesellschaft, 

die zwar ein Verhältnis zum Christus suchten, die sich nicht vorstellen konnten, dass der Christus in der Zukunft nur auf diesem Wege des lebendigen Gedankens gefunden werden kann – 

denen diese Anthroposophie wohl gedanklich viel zu knorrig, sperrig, viel zu gedanklich, zu intellektuell und zu schwer war –

musste Rudolf Steiner damals daher immer mal wieder Etwas in der folgenden Art sagen:  

Oft, meine lieben Freunde, werde ich gefragt von unseren Mitgliedern: Wie setze ich mich in Verbindung mit dem Christus? – Es ist eine naive Frage! Denn alles, was wir anstreben können, jede Zeile, die wir lesen aus unserer anthroposophischen Wissenschaft, ist ein Sich-in-Beziehung-Setzen zu dem Christus. Wir tun gewissermaßen gar nichts anderes. Und derjenige, der nebenbei noch ein besonderes Sich-in-Beziehung-Setzen sucht, der drückt nur naiv aus, daß er eigentlich vermeiden möchte den etwas unbequemen Weg, etwas zu studieren oder etwas zu lesen.

 

Man versteht dann auch ein wenig besser, warum Rudolf Steiner diesen „Unterbau für Späteres“ –

also für die Anthroposophie – das heißt diese „Philosophie der Freiheit“ als die „christlichste der Philosophien“ bezeichnete: 

Und die Folge davon ist, dass der Mensch nun auf der einen Seite die Möglichkeit hat, auf die Waagschale der Freiheit so viel als möglich zu legen, da wirklich bis zu den letzten Konsequenzen des Individualismus zu gehen, denn nur im individuellen Menschen wird die moralische Phantasie gefunden. Daher hat man eben meine «Philosophie der Freiheit» die Philosophie des Individualismus genannt im extremsten Sinne. Das musste sie auch sein, weil sie auf der anderen Seite die christlichste der Philosophien ist. Daher musste man also auf die eine Seite dasjenige legen, was im vollsten Sinne darbietet, was äußere Naturerkenntnis ist, in die man nur hineinkommt mit dem Geistigen, indem man sich zu dem reinen, freien Denken erhebt. Das kann man noch retten innerhalb der rein technischen Erkenntnis. Auf die andere Waagschale muss aber gelegt werden das, was die wirkliche Christus-Erkenntnis, die wirkliche Erkenntnis von dem Mysterium von Golgatha ist. 

Rudolf Steiner dazu auch:

Diese Dinge, die heute auch in einer anderen Form durch das Programm der «Dreigliederung des sozialen Organismus» verkündet werden, die sind heute das Christentum, die sind heute in äußerliche Formen gekleidete geistige Offenbarungen. 

Aber die allermeisten Menschen wollen oder können bis heute weder mit der „christlichsten der Philosophien“ noch mit den auf das soziale Leben der Menschen geprägten „geistigen Offenbarungen“ der Sozialen Dreigliederung noch mit der Anthroposophie etwas anfangen.  

Sie hängen an dem materialistischen Denken der heutigen Wissenschaften, 

aber in Wahrheit sind die Wissenschaften alle atheistisch.

Und christlich gemacht werden diese Wissenschaften ohne die „Philosophie der Freiheit“ und ohne die Anthroposophie wohl kaum – 

aber mal sehen, was die „inneren Erfahrungen“ des dritten Weges der Seele zu Christus noch alles bringen werden. –

Christlich gemacht werden können diese Wissenschaften, die heute überall das öffentliche Leben regeln, aber durch die Realisierung dieses lebendigen Denkens, das aus der „Philosophie der Freiheit“ und aus der Anthroposophie fließen will. Wer so in der Lage ist,  

seine Seele so zu stimmen, daß er aus den geistigen Welten heraus Hilfskräfte erhält, die in ihn einfließen können, die einen Ausgleich herbeiführen zwischen dem einzelnen egoistischen Ich und der Gesamtheit unserer Organisation, wenn er dieser Möglichkeit sich öffnet, die in die Erdenmission eingeflossen ist. Wer erringen kann das Vertrauen an diesen Zufluss aus den geistigen Welten, der hat – wie er dies innere Ereignis, dies innere Erlebnis auch nennen mag – die persönliche Christus-Erfahrung im Inneren erlebt. 

Und sowohl die „Philosophie der Freiheit“ und die Anthroposophie Rudolf Steiners als auch die Idee in der Sozialen Dreigliederung stellen Möglichkeiten dar, sich dieses „Vertrauen an diesen Zufluss aus den geistigen Welten“ zu erarbeiten. 

 

 

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