Deutscher Militarismus und Weltmachtpolitik statt Ergreifen wirklicher deutscher Fähigkeiten – Dekadenz der führenden Klasse sowie die Tragik der bürgerlichen Weltordnung


 

von Ingo Hagel

 

 

Einsätze der Bundeswehr: Von der Leyen fordert stärkere Beteiligung an Uno-Missionen

Erst Joachim Gauck, nun Ursula von der Leyen: In Berlin wächst die Bereitschaft für eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr an Militäreinsätzen. Die Verteidigungsministerin will ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Uno-Missionen.

Von der Leyen sagte bei der Uno in New York:

„Wir haben Fähigkeiten, die andere Länder nicht haben“

Wie recht sie damit hat – und wie sehr sie, Pfarrer Gauck und die übrigen transatlantischen Freunde damit die Menschen hinters Licht führen. Denn die technischen Fähigkeiten der Deutschen, die sich gemäß von der Leyen in einer Kriegsführung nützlich machen sollen, sind nicht wirklich das, was die Menschen dieses Landes auszeichnen. Diese Fähigkeiten sind nur die zurückgebliebene Karikatur dessen, was Deutschland geistig erreichen könnte, und womit es anderen Ländern wirklich helfen könnte und sollte. Die Fähigkeit, die in Deutschland zur Entfaltung gebracht werden müsste, ist die, die Begrenztheit der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu erleben und an deren Erweiterung sowie an der Fundierung einer modernen Wirklichkeitserkenntnis zu arbeiten. Rudolf Steiner hat oft darauf hingewiesen, dass darin die wirklichen Fähigkeiten und Aufgaben Deutschlands und Mitteleuropas liegen.

So zeugt der von der Leyensche Satz nur von der Nichterfüllung geistiger Anlagen und Fähigkeiten, deren Herabwürdigung in technische Fertigkeiten, in ein rückwärtsgewandtes bürgerliches Exportweltmeistertum (das auch zu Zeiten der deutschen Hanse seinen Platz einnehmen könnte) statt in einem wirklichen Aufgreifen zum Beispiel der sozialen Frage in Deutschland und der Welt im Sinne der Sozialen Dreigliederung Rudolf Steiners und damit – wieder mal – von dem Versagen Deutschlands in der Welt. Die WSWS schrieb zu den deutschen Kriegsplänen (Hervorhebung IH):

Was für viele wie ein Schock kam, wurde sorgfältig vorbereitet. Über ein Jahr lang haben über 50 führende Politiker, Journalisten, Akademiker, Militärs und Wirtschaftsvertreter im Rahmen eines Projekts der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und des Washingtoner Thinktanks German Marshall Fund (GMF) über eine neue, aggressive deutsche Außenpolitik diskutiert. Am Ende der Beratungen stand im vergangenen Herbst ein Papier mit dem Titel „Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“. Es liefert die Vorlage für die Politik, die nun mit Sanktionen gegen Russland und der Aufrüstung der Nato in die Praxis umgesetzt wird. Mit dem Dokument kehrt die deutsche Bourgeoisie nach zwei verlorenen Weltkriegen und schrecklichen Verbrechen wieder zu Militarismus und Weltmachtpolitik zurück.

Nun ja, die deutsche Bourgeoisie wird natürlich auch von den guten Amerikanern (Henry Kissinger) dazu ermuntert – und da darf man doch nicht „Nein, Danke!“ sagen:

Der 91-Jährige sprach sich in einer Podiumsdiskussion für ein stärkeres deutsches Engagement in der Weltpolitik aus. „Deutschland ist in gewisser Weise verdammt, eine immer wichtigere Rolle zu spielen“, sagte Kissinger. 

Die „wichtigere Rolle“ eines wahren Deutschtums liegt jedoch in geistigen Fähigkeiten und Aufgaben begründet, nicht in einem neuen deutschen Militarismus und Imperialismus zur Sicherung von Handelswegen und Rohstoffen. Dazu nochmal die WSWS mit Blick auf das oben angeführte Strategiepapier „Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“ (Hervorhebung IH):

Das SWP-Papier stellt gleich zu Beginn klar, dass Deutschland „künftig öfter und entschiedener führen“ müsse, um seine geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen weltweit zu verfolgen. „Deutsche Sicherheitspolitik“ könne „nicht mehr anders als global konzipiert werden. Deutschlands Geschichte, seine Lage und knappe Ressourcen werden es dabei immer wieder veranlassen, konkrete strategische Ziele mit Augenmaß zu formulieren.“ Das Papier lässt keinen Zweifel daran, was die herrschende Klasse unter „Augenmaß“ versteht. Deutschland lebe als „Handels- und Exportnation“ wie „kaum ein anderes Land von der Globalisierung“ und brauche „also die Nachfrage aus anderen Märkten sowie Zugang zu internationalen Handelswegen und Rohstoffen“. Das „überragende strategische Ziel“ müsse daher sein, die „Weltordnung zu erhalten, zu schützen und weiter zu entwickeln“.

Die wahre Aufgabe Deutschlands mit dessen besonderen Fähigkeiten liegt jedoch in der Weiterentwicklung des geistigen Weges, den Goethe, Schiller, Lessing, Herder, Fichte, Hegel usw. vorgezeichnet haben. Dieser deutsche Idealismus muss weiterverfolgt und ausgebaut werden. Und er entwickelt sich dann eben weiter zu dem, was Rudolf Steiner als Anthroposophie in die Welt gebracht hat.

Allerdings bemerkte Rudolf Steiner auch die Dekadenz der führenden Klasse der Gegenwart sowie die Tragik der bürgerlichen Weltordnung, die alles nur physisch begreifen möchte.

Darin lägen die wirklichen Fähigkeiten Deutschlands, so sie denn genutzt würden, andernfalls es wohl wirklich „verdammt“ ist, wenn es die „wichtigere Rolle“, die es geistig, nicht militärisch zu spielen hat, nicht aufgreift. Es würde nämlich als Export- und Technologieweltmeister vom Weltenschicksal nicht weiter gebraucht.

Anmerkung: Nur ein Beispiel: Was macht das deutsche Bürgertum und seine „gebildeten“ Eliten an den Universitäten statt einen wachen Blick auf die politischen Hintergründe der Welt zu werfen? Es gründet eine Henry Kissinger Professur. Wenigsten regt sich einiger Widerstand aus dem universitären Bereich.

Man darf davon ausgehen, dass dieser Wahn (-sinn) eines falschen Selbstverständnisses deutscher Fähigkeiten nicht ohne Konsequenzen für die Zukunft dieses Landes bleiben wird. Denn Deutschland ist so nicht dauerhaft lebensfähig, wenn es nicht in einem wirklich geistigen Sinne wissenschaftlich modern sein will, wenn es die sozialen Erfordernisse der Zeit nicht erfassen will und ihnen gleichgültig gegenübersteht.

Anmerkung: Viele Menschen sind gekränkt, wenn man ihnen diese Perspektive vorhält. Aber man lese nur einmal, was Andere dazu sagen:

Leonardo Boff prophezeit der Gesellschaft den Untergang, wenn sie in ihrem „haarsträubenden Materialismus“ im Anderen nicht mehr den Menschen, sondern nur noch den „potentiellen Produzenten oder Klienten“ sieht. „Dies ist der tödliche Preis, den wir dafür zu zahlen haben, dass wir unser Geschick in die Hände der Diktatur der Ökonomie gelegt haben, die zu einem „Erlöser-Gott“ für alle Probleme wurde.“    

….    

Der Rechtsstaat hat sich von der Beeinflussung durch das ethisch-kulturelle Leben befreit, indem er es in sich aufgesaugt hat. Und das Wirtschaftsleben hat wiederum das staatlich-rechtliche Leben absorbiert. Von beiden wurde so das geistig-ethische Leben als eine eigenständige gesellschaftliche Kraft ausgeschaltet, das heißt für ihre Zwecke verbogen und instrumentalisiert. Von den drei Bereichen oder Funktionen der Gesellschaft, die alle in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen müssen, hat also eine die beiden anderen überwuchert und unter ihre erstickende Herrschaft gebracht. Das kann über kurz oder lang nur den Untergang der menschlichen Gesellschaft zur Folge haben.

Von der Leyen und Pfarrer Gauck und die vielen Anderen ihrer Art (s. z.B. hier und hier und hier) machen daher schon mal Werbung für den Niedergang eines Bürgertums, das nicht durch geistige Fähigkeiten und Hilfe in der Welt seine Anerkennung sondern durch militärische Präsenz sich seinen Wohlstand sichern will.

 

 

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