Aus Nr. 186 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 148:
Daher hat auch der Deutsche seine Beziehung zur Bewusstseinsseele vorzugsweise auf dem Wege der Intellektualität, nicht auf dem Wege des Instinktlebens gesucht. Daher haben gewissermaßen die Aufgaben der Deutschen nur diejenigen erreicht, welche in einer gewissen Weise ihre Selbsterziehung in die Hand genommen haben. Die bloßen Instinktmenschen bleiben unberührt von diesem Sich-Regen der Bewusstseinsseele, bleiben in einer gewissen Weise zurück. Das ist auch der Grund, warum das britische Volkstum von vornherein instinktiv zur Politik veranlagt ist, während das deutsche Volk ein apolitisches Volk ist, überhaupt gar nicht zur Politik veranlagt ist. Wenn es Politik treiben will, steht es vor einer großen Gefahr, die Ihnen insbesondere dann aufleuchten wird, wenn Sie ins Auge fassen, dass ja das Deutschtum übernommen hat, auf dem intellektuellen Gebiete nun das Element in die Welt einzuführen, das das zweite Element ist. Britentum: die Gewalt; das deutsche Element: das Er-scheinende, meinetwillen nennen Sie es Schein, die Ausgestaltung der Gedanken, dasjenige, was in gewisser Beziehung nicht erdfest ist. Im Britentum ist alles erdfest. Im Deutschtum handelt es sich um etwas, was nicht erdfest ist, sondern was dialektisch ausgebildet wird. Verfolgen Sie einmal die Intellektualität der Deutschen, Sie können sie vergleichen mit dem Griechentum, nur haben die Griechen mit Bezug auf die Bildnatur den Schein ausgestaltet; die Deutschen haben den Schein besonders mit Bezug auf die Intellektualisierungsnatur ausgestaltet. Es gibt schließlich nichts Schöneres als dasjenige, was ausgestaltet ist durch den Goetheanismus, durch Novalis, durch Schelling, durch alle diese Geister, die eigentlich Künstler sind in Gedanken. Das macht die Deutschen zu einem unpolitischen Volk. Sie sind, wenn sie politisch sein sollen, einem instinktiv politisch denkenden Menschen nicht gewachsen. Von den drei Dingen, die in Goethes „Märchen“ aufgezählt sind – Gewalt, Schein, Erkenntnis -, ist dem Deutschen im intellektuellen Zeitalter die Scheingestaltung der Intellektualität zugefallen. Will er nun doch eingreifen in die Politik, da steht er vor der Gefahr, dass er dasjenige, was schön ist innerhalb der Gedankengestaltung, in die Wirklichkeit hineinbringt; das ist das Phänomen zum Beispiel Treitschkes. Der Wirklichkeit gegenüber wird dann zuweilen dasjenige, was gerade im Scheine schön ist – «Schein» und «schön» hat sogar dem Wortlaute nach einen ähnlichen Ursprung -, weil es nicht in den eigenen Anlagen liegt, etwas, was nicht so recht mit dem Menschen zusammenhängt, was eigentlich bloße Behauptung bleiben kann, was dann auf die Welt den Eindruck der Unwahrhaftigkeit machen muss. Denn die große Gefahr, die selbstverständlich zu überwinden ist, aber nicht immer überwunden wird, besteht darin, dass der Deutsche nicht nur, wenn er höflich ist, lügt, sondern dass er auch lügen kann, wenn er gerade seine besten Talente in ein Gebiet hineintragen will, für das er nicht angeborene Anlagen hat, sondern für das ihm die Anlagen nur anerzogen werden können, für das er sich anstrengen muss.
Ich habe vor einigen Jahren gesagt: Der Engländer ist etwas; der Deutsche kann nur etwas werden. Daher ist es so schwierig mit der deutschen Kultur, daher ragen in der deutschen und in der österreichisch-deutschen Kultur immer nur einzelne Individualitäten heraus, die sich in die Hand genommen haben, während die breite Masse beherrscht sein will, sich gar nicht mit den Gedanken befassen will, die bei der britisch sprechenden Bevölkerung in die Instinkte gelegt sind. Daher verfiel auch die mitteleuropäische Bevölkerung solchen Herrschaftsgelüsten, wie die der Habsburger und Hohenzollern es waren, eben wegen der apolitischen Natur, weil ganz andere Notwendigkeiten vorliegen, wenn der Deutsche zu seiner Aufgabe kommen will. Er muss zu dieser Aufgabe erzogen werden. Er muss gewissermaßen berührt werden von dem, was Goethe im «Faust» zur Gestaltung gebracht hat, vom Werden des Menschen zwischen Geburt und Tod.
Hat Ihnen dieser Artikel etwas gegeben? Dann geben Sie doch etwas zurück! – Unterstützen Sie meine Arbeit im Umkreis-Institut durch eine
Das geht sehr einfach über eine Überweisung oder über PayPal.
Sollte Ihnen aber Ihre Suchmaschine diesen Artikel nur zufällig auf den Monitor geworfen haben, Sie das alles sowieso nur für (elektronisches) Papier beziehungsweise nur für Worte – also für Pille-Palle – halten, dann gibt es
einen angenehmen und lustigen Ausgang für Sie.
Falls Ihnen dieser Artikel jedoch unverständlich, unangebracht, spinnig oder sogar „esoterisch“ vorkommt, gibt es vorerst wohl nur eines: