von Ingo Hagel
Nicht nur das technische Prinzip des Düsenantriebes ist in der Natur vorgegeben, wie man an den Tintenfischen sehen kann. Der Mensch entwickelt es nur weiter als Technik des Strahltriebwerkes oder Raketenantriebes. Auch der Wasser- und Flammenwerfer, Kanonen und Schusswaffen, die der Mensch glaubt, erfunden zu haben, haben ihren Ideenursprung in der Natur, wie der Bombardierkäfer beweist:
Übersetzung: Aber der Meister in der chemischen Kriegsführung ist der Bombardier Käfer. Er kann in seinem Körper eine gewaltsame chemische Reaktion ablaufen lassen, so dass eine kochende ätzende Flüssigkeit aus seinem Hinterteil herausexplodiert. Indem der Käfer diesen Strahl gezielt 500 mal in der Sekunde pulsieren lässt, hält er seinen eigenen Hinterleib kühl und verhindert, dass dieser von seinen eigenen Chemikalien gekocht wird.
In diesem Clip wird dieses Prinzip genauer beschrieben:
Übersetzung: Spezielle Drüsen bilden eine sehr konzentrierte Mischung aus zwei Chemikalien: Wasserstoffsuperoxid und Hydrochinon. Diese Mischung wird in ein Sammelgefäß geleitet. Dieses ist mit einem zweiten Gefäß verbunden, der Explosionskammer. Wenn der Käfer einem Stress ausgesetzt ist, kontraktiert er Muskeln um das Sammelgefäß und presst von dessen Inhalt etwas Flüssigkeit in die Explosionskammer. Danach verschließt er sofort den Gefäßgang, der vom Vorratsgefäß in die Explosionskammer seines Hinterleibes führt. Diese chemische Lösung vermischt sich dann mit den enzymatischen Katalysatoren, die von den Drüsen der Explosionskammer ausgeschieden werden. Eine Kettenreaktion startet, die eine enorme Menge an Hitze freisetzt. Die Mischung aus Wasserstoffsuperoxid und Hydrochinon fängt nun blitzartig an zu kochen. Die Muskeln, die den Kanal umkleiden, der die kochende Lösung aus der Explosionskammer leitet, erlauben es dem Bombardier Käfer, den Strahl mit dieser kochenden Lösung präzise gegen seine Angreifer zu richten. Diese chemische Waffe bekämpft in effektiver Weise die Angreifer des Käfers, ohne diesem selbst zu schaden. Denn der Teil des Käfers, in dem diese chemische Reaktion stattfindet ist mit einem hitzeresistenten Gewebe ausgekleidet. Dieses wunderbare System, das viele Wissenschaftler fasziniert, muss sich auf einmal als Ganzes und vollständig gebildet haben, genauso wie Millionen anderer ähnlicher Systeme in der Natur. Würde nur ein einzelnes Teil fehlen, dann würde das gesamte System nicht funktionieren, und der Käfer würde verschwinden von dieser Erde.
Aber nicht nur die Kanone und den Raketenantrieb hat die Natur erfunden, auch zum Beispiel so moderne Dinge wie die Injektionspritze und deren Kanüle, ist von ihr vorgegeben in den hohlen Stacheln der Insekten, mit denen diese ihr Gift injizieren. Das Prinzip des Baggergreifers, des Schraubenschlüssels usw. ist an der menschlichen Hand abgelesen, und wenn der Mensch glaubt, er hätte das Papier erfunden, dann muss man ihm sagen, die Wespen waren da doch schneller, indem sie Holzfasern zu einem feinen Brei zerkauen und aus diesem Pappmaché ihre Nester bauen. Sogar das Rad ist in der Natur erfunden worden – von einer Spinne:
Der Mensch wiederholt im Grunde genommen nur das in modifizierter Weise, was in der Natur schon drinnen liegt. Die Technik ist ja gar keine originäre neue schöpferische Leistung des Menschen. Er kopiert ja nur die Weisheit in der Natur. Der Mensch ist letztlich in seinen technischen Ideen, die er der Natur entnimmt und weiter ausarbeitet, nur ein großer Plagiator. Im Bundestag gibt es lauter kleine Plagiatoren, die noch nicht einmal ihre Doktorarbeit selber schreiben konnten sondern abschreiben mussten von anderen, weil sie so faul, ideenlos oder beides waren. Aber letztlich ist der moderne Mensch als Techniker im Grunde genommen auch nicht mehr als ein kleiner Plagiator, der nichts anderes tut, als von der großen Natur abzuschreiben und diese zu kopieren.
Und die Frage ist, ob nicht eigentlich auch der Plagiator der modernen technischen Menschheit zurücktreten müsste von seiner Stelle als Mensch, wenn er sich weiterhin weigert, Fortschritt auch als Bewusstseins- und Erkenntnisfortschritt anzuerkennen und mitzumachen, weil er auf alten Denkschablonen verharren will, weil er das Neue nicht ergreifen will und weiterhin nicht mehr leisten will als abzuschreiben von der großen Natur, weil er sich und sein Menschentum nicht weiterentwickeln will in dieser großen Doktorarbeit, die der Mensch in der Bewusstseinsgeschichte der Menschheit dabei ist zu schreiben. Die sollte nun in der modernen Zeit eigentlich beweisen, dass der Mensch zu eigenständigem schöpferischen Arbeiten und Handeln in der Lage ist. Bis jetzt kann man allerdings dem Menschen ein Bewusstwerden dieser seiner Menschlichkeit jedoch nicht attestieren:
Wo liegt denn die wirkliche, originäre, menschliche schöpferische Leistung in der Welt? Etwas, was ohne den Menschen nicht da wäre? Dieses ist in dem zu sehen, was der Mensch als Erkenntnis schafft. Die in der Natur waltende Weisheit, ist zwar eine wirkende, tätige, schaffende Kraft, aber eine unbewusst schaffende Kraft, die nirgends zur bewussten Offenbarung käme in der Welt, wenn der Mensch sie nicht als Erkenntnis in diese stellte. Das Licht der Erkenntnis ist ohne den Menschen eben nicht in der Welt. Erkenntnis ist eine wirkliche Welten-Neuschöpfung. Nur hier ist der Mensch wirklich ein Schaffender.
Selbstverständlich muss der Mensch auch die Technik in der Welt entwickeln. Dabei handelt es sich um eine ganz natürliche und wichtige menschliche Aufgabe, die für die Entwicklung des Menschen und dessen modernem Bewusstsein notwendig war und für lange Zeit ihre Gültigkeit behalten wird – wenn auch nicht in alleiniger Weise. Aber man darf diese Tätigkeit des Menschen sich nicht erschöpfen lassen in Pragmatismus und technischem Nützlichkeitsdenken, in einem Materialismus, der nur und allein auf die Annehmlichkeiten und Erfordernisse des Alltags und auf die täglichen und kreatürlichen Bedürfnisse des Menschen gerichtet sind: Auto, Telefon, Strom, Fernseher, Agrarfabrik, Brotfabrik, Wurst aufs Brot und so weiter, und zum Schluss – wie gesagt, von den Wespen abgeguckt – das Klopapier. Alles dafür, dass der Mensch als höheres Tier sein kreatürliches Dasein der Nahrungsaufnahme und -ausscheidung fristen darf.
Rudolf Steiner drückte dies einmal so aus (Hervorhebungen IH): Vergleichen wir einmal die alten Zeiten mit unserer Zeit. In diesen alten Zeiten sah der Mensch die große Sternenschrift der Götter, aber mit welch primitiven Mitteln wurden die Kulturerrungenschaften jener Zeit, die Pyramiden, die Sphinxe hergestellt! Wie nährte sich der Mensch! Und was hat er sich alles an äußeren Kulturmitteln bis heute erobert! Welche Kraft des Geistes gehörte dazu, um die Dampfmaschine zu ersinnen und herzustellen, um die Eisenbahn, den Telegraphen, das Telefon und so weiter auszudenken! Ungeheure Kräfte des geistigen Lebens mussten verwendet werden, um diese rein materiellen Kulturmittel zu erfinden und herzustellen. Und wozu werden sie verwendet? Ist es für das spirituelle Leben im wesentlichen ein Unterschied, ob in einer Urkultur ein Mensch zwischen zwei Steinen das Getreide zerrieb, wozu natürlich sehr geringe geistige Kräfte verbraucht wurden, oder ob wir imstande sind, nach Amerika zu telegraphieren, um von dorther große Getreidemengen zu bekommen und sie durch wunderbar ausgedachte Mühlen zu Mehl zu zerreiben? Einfach für den Magen ist der ganze Apparat in Bewegung gesetzt. Machen wir uns klar, welche Unsummen geistiger Lebenskräfte hineingesteckt werden in die bloß materielle Kultur. Von der spirituellen Kultur wird noch sehr wenig durch die äußeren Kulturmittel befördert. Der Telegraph wird in, sagen wir, anthroposophischen Angelegenheiten sehr selten verwendet. Wenn Sie einen statistischen Vergleich aufstellen würden zwischen dem, was für die materielle Kultur verwendet wird, und dem, was dem spirituellen Leben zugute kommt, dann würden Sie begreifen, dass der Geist unter das Menschliche hinuntergetaucht ist, ein Sklave geworden ist des materiellen Lebens.
Heute ist also neben der Technik längst etwas ganz anderes sehr wichtig, ohne das der Mensch seine eigentliche Aufgabe als Mensch versäumen würde und immer ein Sklave des materiellen Lebens bleiben würde: Nämlich Erkenntnis schaffen im weitesten und lebendigsten Sinne, auch wenn man damit möglicherweise (noch) keine technische Umsetzung (Nutzanwendung) realisiert.
Nun meint heute jedoch noch die Mehrzahl der Menschen, dass ihnen die Erkenntnis als solche, wenn sie (erstmal) nicht in etwas sogenanntes „Praktisches“ umgesetzt werden kann, etwas Unnützes ist, was den Menschen und die Welt nicht weiter bringt. Man denkt, es ist bestenfalls nur beschriebenes Papier, womit man nichts machen könne. So etwas lehnen die meisten Menschen ab, sie können nichts damit anstellen. Aber das wird der Mensch lernen müssen, dass dies genau der Punkt ist, wo seine eigene menschliche Schöpferkraft überhaupt erst wirklich anfängt. Denn das Kopieren der waltenden Weisheit in der Natur ist ja, wie wir gesehen haben, keine originäre kreative schöpferische Leistung des Menschen. Es ist nur ein Kopieren, ein Abgucken, ein Plagiieren. Erst in der Erkenntnis wird der Mensch zum Schöpfer. Und zwar in einer solchen Erkenntnis, die nicht einfach nur die in der Natur waltende Weisheit kopiert, sondern die dieses in der Natur unbewusst schaffende Wesenhafte wieder in seinem Bewusstsein zur Anschauung und damit zum Leben erweckt. Der Mensch muss lernen, sich im Entwickeln von solchen (sinnlichkeitsfreien) Begriffen und Ideen zu üben, die nicht mehr Abbilder der Sinneswelt sind – und dennoch eine (geistig) wahrnehmbare Realität darstellen.
Die Ideen, die der Mensch heute in seinem Bewusstsein trägt, sind ja heute keine Wirklichkeit, sie sind ja nur Bilder einer Wirklichkeit. Diese Bilder zwingen den Menschen zu nichts: Er kann das Gute denken und dann das Böse tun, weil diese Scheingedanken eben keine Wesen, keine Realitäten sind. Aber nur so war die Erringung der menschlichen Freiheit möglich. Freiheit wäre niemals möglich gewesen aus einem Erleben der in der Welt wirkenden Ideen heraus, die ja wirkliche geistige Wesen sind, denen gegenüber der Gedanke der Freiheit immer eine Illusion geblieben wäre.
Daher muss der Mensch lernen, nicht nur die Dinge der Sinneswelt anzuschauen, sondern auch Ideen erleben und anschauen zu lernen – letztlich als wirkliche reale Wesenheiten, die hinter alldem stehen, was der Mensch in seinem gewöhnlichen Bewusstsein als Ideen in sich trägt oder aus der Natur empfängt und abliest. Das wird es sein, was der Mensch in der Zukunft erkennen wird als seine eigene, originäre, weltschöpferische Leistung, die Schöpfung einer neuen Welt, die es vorher nicht im Universum gegeben hat.
Auf diesem Wege wird jedoch das Prinzip der Erkenntnis verwandelt: Ist es mit Blick auf die Abbildung der Sinneswelt passiv und aufnehmend, so muss es sich auf dem oben skizzierten Wege in etwas Aktives – eben ein Schöpferisches – verwandeln. Das Erkennen muss eine vom Willen getragene Tätigkeit werden. Rudolf Steiner hat diesen Weg erkenntnistheoretisch in seiner Philosophie der Freiheit dargestellt.
Das Denken eines Inhaltes, der sich nicht mehr auf einen durch die Sinneswelt gegebenen Inhalt stützt, nannte Rudolf Steiner ein „reines Denken“. Dieses ist durchaus übersinnlicher (geistiger) Natur, auch wenn sich in ihm noch kein übersinnlicher Inhalt in Form von geistigen Wahrnehmungen (anthroposophisch gesprochen: in Form von Imagination, Inspiration, Intuition) darstellt. Aber es stellt die denkerische Grundbedingung dar, um sich gegebenenfalls überhaupt in einer geistigen Welt als ein selbständiges Ich erhalten zu können. Viele Menschen haben heute eine große Sehnsucht nach einer geistigen Welt und spüren, dass es eine solche geben muss, ahnen aber nicht, dass diese bei ungenügender Vorbereitung und Erkraftung des Bewusstseins eine Gefahr darstellt. Die „Philosophie der Freiheit“ stellt eine solche Vorbereitung und Erkraftung für den modernen Menschen dar.
Das wird das spezifische Neue sein, dass der Mensch letztlich in der Welt ist, um an dieser Stelle zum wirklichen Schöpfer zu werden, während die alte Welt der Sinne, die in der Natur um uns herum ausgebeutet ist, eine ersterbende Welt ist. Computer, Autos, Raketen, Motoren und Triebwerke, all die Technik, die ja überhaupt nicht abgelehnt wird, aber deren begrenzter Charakter doch in dem Sinne angeschaut werden muss, in dem ich es hier versucht habe. Der Mensch muss letztendlich seine ureigene, originäre, schöpferische Leistung realisieren. Und diese liegt auf ideellem Gebiete. Aber auf einem Ideengebiet, das nicht immer weiter die Natur kopiert in der Technik, sondern sich immer mehr lösen muss von dieser passiven Anlehnung an die Sinneswelt. Durch die verkrüppelte und daher missverstandene (weil nicht zu Ende gedachte) naturwissenschaftliche Weltanschauung bilden die menschlichen Gedanken nur die Sinneswelt (noch dazu in oberflächlichster Weise) ab, und der Menschen kann sich bewusstseinsmäßig kaum etwas anderes vorstellen. Ihm schwindet das Bewusstsein, wenn ihm zugemutet wird, Ideen zu denken, die keine Grundlage in der Sinneswelt haben (was verständlich ist, denn man muss auch auf diesem Gebiete erst durch Übung Kräfte gewinnen). Jedoch wird dieses allein den Menschen in der Zukunft nicht befriedigen und ihm einen sicheren Stand in der Welt und ein befriedigendes Verhältnis zu dieser und zu sich selbst geben können. Die Menschen wissen heute überhaupt nicht mehr, wo ihre eigene wirkliche Menschlichkeit, ihr Sinn als Mensch in der Welt liegt. Viele spüren aber immer bedrängender, dass dieses völlige Aufgehen des Menschen in der Sinneswelt diesem unwürdig ist. Sie fühlen, dass die Aufgabe des Menschen in der Welt heute eine neue sein muss. Nicht eine Ablehnung der Technik und aller ihrer vielen positiven Errungenschaften – die wohl kaum einer in der heutigen Zeit missen möchte – steht an. Aber der Mensch darf in dieser technischen Betätigung nicht versinken, sondern muss sich immer stärker ein neues, anderes schöpferisches Arbeits- und Lebensgebiet erobern, dass ihm jedoch einzig und allein seinen Wert als Mensch – und nicht als höheres Tier – wird sichern können.
Aus einem solchen Denken allein werden auch nur die Lösungen erfolgen können, die wir auf den verschiedensten Problemen der heutigen Zeit benötigen – auch auf sozialem Gebiet. Die soziale Frage wird nicht gelöst werden, ohne dass sich wenigstens eine Anzahl Menschen sich zu einem solchen Denken bequemen wird, das die Menschen erkennen lässt, wo das eigentliche Aufgaben- und Tätigkeitsfeld des Menschen liegt. Diese liegt eben nicht allein in einem Hineinschaffen in die äußere Welt, im Abschreiben und ideellen Kopieren der in der äußeren Welt waltenden Ideen einer weisheitsvollen Natur, sondern diese liegt in der Fähigkeit des Menschen, Ideen zu schaffen, die ohne ihn nicht in der Welt wären, in einer Steigerung der menschlichen Ideenfähigkeit durch ein willensgetragenes Denken bis zu deren Anschaulichkeit.
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