Der große Musiker 

 

von Stella Hagel

 

Volker soll Geige üben, will aber lieber Fußball spielen. Großer Kampf zwischen Mutter und Sohn. Es braucht viel Energie, ihn von draußen reinzuholen. Drinnen gibt es erst mal einen kleinen Machtkampf, doch die Mutter bleibt konsequent: „Jetzt wird Geige geübt!“ Nach etlichem Wenn und Aber ist Volker gnädigst bereit: „Bedingung!“, meint er aber, „Ich trete auf!“ „Ach bitte, heute mal nicht“ meint die Mutter. Volker verschränkt bockig die Arme vor der Brust: „Na gut, dann spiele ich eben nicht.“ „Na gut, dann tritt halt auf“, seufzt die Mutter. Sie stimmt die Geige und er verschwindet mit dieser aus dem Zimmer. Kurze Pause. Dann tritt der Künstler schneidig mit der Geige unter dem Arm auf. Er verbeugt sich professionell, bleibt aber, statt sich zu setzen, abwartend stehen. „Was ist denn nu?“ Die Mutter wird ungeduldig: „Warum geht’s denn nicht weiter?“ „Wenn der Geiger auftritt, wird geklatscht, bevor er anfängt zu spielen.“ Volker weiß genau Bescheid, und die Mutter klatscht ergeben. „Halt! Erst muss ich noch mal auftreten, weil wir jetzt unterbrochen haben.“ „Nee Volker, nicht noch einmal. Bitte!“ „Doch Mutti, jetzt trete ich noch mal auf, und dann klatschst Du an der richtigen Stelle, wie im richtigen Konzert, es geht auch wirklich ganz schnell.“ Also gut, Volker tritt ab und wieder auf, diesmal klappt der Auftritt reibungslos, denn Mutter klatscht. Dann setzt sich der Künstler, hebt die Geige mit großer Geste ans Kinn und führt kraftvoll, wie er es bei großen Musikern gesehen hat, ein paar Bogenstriche aus. Leider quietscht es ziemlich. Die Mutter gibt ein paar Anweisungen, wie der Geiger es besser machen könnte. Da stinkt ihm das Ganze. Schneidig springt er auf, verbeugt sich und tritt mit der Geige unter dem Arm ab.