von Ingo Hagel
Durch die Meditation kommt der Meditierende in ein anderes Verhältnis zu seinem physischen und zu seinem ätherischen Leib:
Ist durch solches Üben der richtige Erfolg eingetreten, dann erlebt man sich im ätherischen Organismus. Das Gedankenerlebnis erhält eine neue Form. Man erlebt die Gedanken nicht nur in der abstrakten Form wie früher, sondern so, daß man in ihnen Kräfte fühlt. Die vorher erfahrenen Gedanken können nur gedacht werden; sie haben keine Macht zu einer Aktivität. Die Gedanken, die man jetzt erlebt, haben eine Macht wie die Wachstumskräfte, die den Menschen vom kleinen Kinde zum Erwachsenen umbilden. Eben deshalb aber ist es notwendig, daß die Meditation in richtiger Art ausgeführt wird. Denn greifen in sie unterbewußte Kräfte ein, ist sie nicht ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender Akt, so werden Impulse entwickelt, die so wie die natürlichen Wachstumskräfte in den eigenen menschlichen Organismus eingreifen. Das darf in keiner Art geschehen. Der eigene physische und ätherische Organismus muß durch die Meditation völlig unberührt bleiben.
Das Problem bei der ganzen Angelegenheit dürfte sein,
dass man zu Beginn dieser Bemühungen doch nur sein gewöhnliches Bewusstsein und seine gewöhnliche Art zu denken hat. Erst durch diese meditativen Bemühungen wird dieses gewöhnliche Bewusstsein, die gewöhnliche Art, erstmal nur mit dem Kopf zu denken, zu einer anderen Art und zu einem anderen Bewusstsein. Das „Gedankenerlebnis“ hat also noch keine „neue Form„. Man weiß noch nicht, wie im Denken
ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender Akt
durchgeführt wird.
Natürlich könnte man sich an jene Stelle in der „Philosophie der Freiheit“
im Nachtrag zum dritten Kapitel erinnern, die hier auf Umkreis-Online immer mal wieder angeführt worden ist,
… das wirkliche Denken muß immer gewollt sein. Nur hat dies mit der Kennzeichnung des Denkens, wie sie in diesen Ausführungen gemacht ist, nichts zu schaffen. Mag es das Wesen des Denkens immerhin notwendig machen, daß dieses gewollt wird: es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint.
und die ja nichts anderes besagt, als dass die Art und Weise zu denken
ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender Akt
sein soll: Nichts soll gedacht werden, nichts soll im Denken gewollt werden, was nicht gleichzeitig auch im Bewusstsein erscheint. Und im Bewusstsein darf nichts erscheinen, was nicht von einem gewollt worden ist. Wille und Denken fallen zusammen.
Aber das ist leichter gelesen als realisiert.
Hinter die Bedeutung dieser Stelle in der „Philosophie der Freiheit“ – und so vieler anderer Stellen – muss man erstmal kommen. Immer wieder muss man also feststellen, dass man die Ausführungen Rudolf Steiners missverstanden hat. Man ahnt zu Beginn dieser ganzen Bemühungen meistens nicht die Dimension dessen, was es heißt, das alte Kopfbewusstsein zu überwinden, sich ein neues Bewusstsein eines Willens im Denken oder eines Denkens im Willen zu ringen.
Man wird in einem solchen Falle immer in der Gefahr stehen,
dass durch die Meditation der eigene physische und ätherische Leib eben nicht unberührt bleiben durch die Denkaktivität, sondern durchaus und zwar in unrichtiger Art berührt werden. Das führt dann zu verschiedenen organischen und psychischen Disharmonien – weswegen man den Menschen, die nach der Meditation fragen, gerne immer antworten möchte:
Lerne doch ersteinmal richtig denken – zum Beispiel an der „Philosophie der Freiheit“.
Man kann natürlich auch durch das Studium der Geisteswissenschaft (Anthroposophie) richtig denken lernen.
Aber auch da muss man dann verstehen lernen, wie man zu einem neuen „flüssigen, wirklichen Denken“ kommt:
Das Studium ist nicht das Lernen, wie es gewöhnlich geschieht, sondern man muß darauf kommen, daß es für den Menschen ein Denken gibt, welches noch ein flüssiges, wirkliches Denken ist, wobei der Mensch alle sinnlichen Wahrnehmungen um sich herum ausschließt.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es nichts gibt, was die Menschen mehr verabscheuen, als richtig denken zu lernen. Das führt dann nicht nur zu den oben genannten organischen und psychischen, sondern dann auch zu den vielen sozialen Problemen, in denen die Menschen drinnenstecken, von denen sie allerdings keine Ahnung haben, warum sie in diesen stecken.
Gerade wenn man missversteht, was Rudolf Steiner an manchen Stellen mit Blick auf die Meditation sagt,
zum Beispiel dass diese „mit aller inneren Gewalt“ durchzuführen ist –
Solche Übungen verlangen vom Menschen, dass er gewissermaßen sich mit seinem ganzen Wesen in die Denktätigkeit hineinversetzt, dass er sich hingibt mit aller inneren Gewalt dem Denken, und dass ihm bei diesem Denken dann gleichgültig ist, was die äußeren Sinne ihm überliefern, dass er also ganz bewusst nur in der Denktätigkeit lebt.
wobei er selbstverständlich nicht meinte, dass das Kopfbewusstsein „mit aller Gewalt“ zu aktivieren sei, sondern eben etwas ganz Anderes.
Selbstverständlich ist die Meditation etwas, was „mit aller Gewalt“ durchzuführen ist. Allerdings ahnt man da als modernes „schlaues Kerlchen“ zu Beginn dieser ganzen Bemühungen nicht, was diese Gewalt ist, wie diese Gewalt zu handhaben ist und was der Unterschied ist zwischen dem normalen Alltagsbewusstsein, was ja sehr hurtig und schnell seine Objekte erfassen und sich darüber eine Meinung bilden kann – und dem, was sich überhaupt erst ein Objekt nicht im Sinnlichen, sondern im rein Seelischen schaffen muss.
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