Rudolf Steiner: Das Denken ist das unbeobachtete Element unseres gewöhnlichen Geisteslebens

 

Aus Nummer 4 S. 41 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe.

Es gehört eben zu der eigentümlichen Natur des Denkens, dass es eine Tätigkeit ist, die bloß auf den beobachteten Gegenstand gelenkt ist und nicht auf die denkende Persönlichkeit. Das spricht sich schon in der Art aus, wie wir unsere Gedanken über eine Sache zum Ausdruck bringen im Gegensatz zu unseren Gefühlen oder Willensakten. Wenn ich einen Gegenstand sehe und diesen als einen Tisch erkenne, werde ich im allgemeinen nicht sagen: ich denke über einen Tisch, sondern: dies ist ein Tisch. Wohl aber werde ich sagen: ich freue mich über den Tisch. Im ersteren Falle kommt es mir eben gar nicht darauf an, auszusprechen, dass ich zu dem Tisch in ein Verhältnis trete; in dem zweiten Falle handelt es sich aber gerade um dieses Verhältnis. Mit dem Ausspruch: ich denke über einen Tisch, trete ich bereits in den oben charakterisierten Ausnahmezustand ein, wo etwas zum Gegenstand der Beobachtung gemacht wird, was in unserer geistigen Tätigkeit immer mitenthalten ist, aber nicht als beobachtetes Objekt. 

Das ist die eigentümliche Natur des Denkens, dass der Denkende das Denken vergisst, während er es ausübt. Nicht das Denken beschäftigt ihn, sondern der Gegenstand des Denkens, den er beobachtet. 

Die erste Beobachtung, die wir über das Denken machen, ist also die, dass es das unbeobachtete Element unseres gewöhnlichen Geisteslebens ist. 

Hat Ihnen dieser Artikel etwas gegeben? Dann geben Sie doch etwas zurück! – Unterstützen Sie das Umkreis-Institut durch eine

Spende!

Das geht sehr einfach über einen Bankeinzug oder über PayPal.