von Ingo Hagel
Die immer unangenehmer werdenden Verhältnisse der Zeit bringen es mit sich, dass große menschliche Angelegenheiten –
so zum Beispiel die Frage nach der Freiheit –
die von den Menschen nun schon weit über 130 Jahre links liegen gelassen worden ist, sich nun immer mehr gewaltsam und zwanghaft in den Vordergrund drängen und um die Aufnahme in die kulturellen Angelegenheiten der Gesellschaften ersuchen.
In diesem verdienstvollen Beitrag wendet sich zum Beispiel David Icke gegen die Bestrebungen –
nicht nur der britischen Administration, sondern global –
Impfungen der Menschen durch Zwang vorzuschreiben. Dadurch wird die Möglichkeit, selber zu wählen, ob man nun geimpft werden will oder nicht, vernichtet. Soweit stimme ich mit David Icke überein. Seine folgenden Anmerkungen und Ausführungen zu dem, was Freiheit ist, sind allerdings gerade mit Blick auf seine Einschränkung des Begriffes der Freiheit auf die Wahlfreiheit –
also in der Lage zu sein, zwischen verschiedenen Dingen ungehindert auswählen zu können –
das heißt mit Blick auf eine wirkliche Auffassung der Freiheit sehr ergänzungsbedürftig:
David Icke bei 3:35: Wenn man darauf schaut, was Freiheit ist, dann ist diese Freiheit die Möglichkeit wählen zu können. Je mehr man wählen kann, desto freier ist man. Je weniger man wählen kann, desto weniger frei ist man. Und was nun geschieht (mit diesem Impfzwang; Anmerkung IH) ist, dass diese Freiheit zerstört wird. Über die menschliche Gesellschaft hinweg. Systematisch.
Eigentlich hat diese Angelegenheit des Impfzwangs, die David Icke anführt, nur sehr äußerlich etwas mit der wirklichen Freiheit des Menschen zu tun.
Selbstverständlich ist, wie David Icke ausführt, meine Handlungsfreiheit sehr eingeschränkt, wenn mir verwehrt wird, das zu tun, was ich will – beziehungsweise wenn ich – wie beim Impfzwang – gezwungen werde, etwas zu tun, was ich nicht will. Aber Freiheit ist damit im eigentlichen Sinne längst nicht erfasst.
Denn es handelt sich einfach um Gesetze der menschlichen Gesellschaften. Von diesen gibt es sehr viele, die das menschliche Verhalten reglementieren, so zum Beispiel die Forderung, sich beim Fahren eines Autos anzuschnallen, bei Rot nicht über die Ampel zu fahren, in öffentlichen Gebäuden, Restaurants, Cafés nicht zu rauchen, Steuern und Abgaben zu bezahlen und so weiter.
Natürlich kann man sich in seiner „Freiheit“ eingeschränkt fühlen, wenn es einem verwehrt wird, bei Rot über die Ampel zu fahren, oder wenn es per Gesetz verpflichtend wird, sich beim Fahren eines Autos anzuschnallen. Auf der anderen Seite gehört es in die Freiheitsfrage des Menschen, ob er in die Lage ist, sich aus innerer Freiheit in die bestehenden äußeren Normen und Gesetze einer Gesellschaft einzufügen. Wie sinnvoll oder unsinnig diese Gesetze sind, darüber kann debattiert werden. Aber immerhin sind diese Gesetze durch einen –
wie man so schön sagt –
„demokratischen Prozess“ zustandegekommen, und zwar durch die Regierungen und Abgeordneten, die von den Mitgliedern der Gesellschaften, also den Wählern, in ihre Ämter gewählt worden sind. Diese „demokratischen Prozesse“ finden nun mal statt, indem eine Mehrheit Gesetze gegen eine Minderheit beschließt – und die diese dann natürlich auch durchsetzt. –
Denjenigen, die glauben, aus obigem Abschnitt ableiten zu können, ich sei ein Freund von zwangsweisen Impfungen, empfehle ich die entsprechende Rubrik hier auf Umkreis-Online. –
Dass die Freiheitsfrage völlig anders angefasst werden muss,
schildert Rudolf Steiner gleich im ersten Kapitel seiner „Philosophie der Freiheit“. Ihm geht es nicht um die selbstverständliche Frage, ob ein Mensch unfrei ist, den man in Ketten geschlagen hat, sondern um die Frage einer Abhängigkeit des Menschen als eines geistigen Wesens von seinen leiblichen Grundlagen:
Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?
Wenn der Geist des Menschen ein bloßes Naturprodukt der biochemischen Vorgänge des Leibes ist, dann kann von Freiheit nicht gesprochen werden.
Während David Icke Freiheit anstrebt dadurch, dass man im äußeren Leben wählen darf, ob man nun geimpft werden will oder nicht, behandelten die philosophischen Zeitgenossen Rudolf Steiners diese Freiheitsfrage dahingehend, dass eine innere Wahlfreiheit bestehen müsse, ganz nach Belieben seinen Willen in die eine oder in die andere Richtung ein- oder ausschalten zu können, das heißt in der Lage zu sein,
von zwei möglichen Handlungen ganz nach Belieben die eine oder die andere zu wählen …
Diese Philosophen bekamen dann zwar heraus, dass das doch nicht sein könne, denn:
Es ist immer, so behauptet man, ein ganz bestimmter Grund vorhanden, warum man von mehreren möglichen Handlungen gerade eine bestimmte zur Ausführung bringt.
Von diesen Gründen, so sagte man damals, gebe es eben äußere Beweggründe und innere, das heißt organisch-leiblich sowie charakterologisch bedingte Gründe, die den Menschen veranlassen, von mehreren möglichen Optionen die eine oder die andere zu wählen. Rudolf Steiner ging der Freiheitsfrage aber sehr viel tiefer auf dem Grund:
Darf die Frage nach der Freiheit unseres Willens überhaupt einseitig für sich gestellt werden? Und wenn nicht: mit welcher andern muss sie notwendig verknüpft werden?
Ist ein Unterschied zwischen einem bewussten Beweggrund meines Handelns und einem unbewussten Antrieb, dann wird der erstere auch eine Handlung nach sich ziehen, die anders beurteilt werden muss als eine solche aus blindem Drange. Die Frage nach diesem Unterschied wird also die erste sein. Und was sie ergibt, davon wird es erst abhängen, wie wir uns zu der eigentlichen Freiheitsfrage zu stellen haben.
Was heißt es, ein Wissen von den Gründen seines Handelns haben? Man hat diese Frage zu wenig berücksichtigt, weil man leider immer in zwei Teile zerrissen hat, was ein untrennbares Ganzes ist: den Menschen. Den Handelnden und den Erkennenden unterschied man, und leer ausgegangen ist dabei nur der, auf den es vor allen andern Dingen ankommt: der aus Erkenntnis Handelnde.
Die Leute halten sich ja heute wie damals für sehr aufgeklärt und rational.
Wenn Ihnen irgendwelche Motive, die sie für humanistisch, demokratisch, freiheitlich, christlich, liberal, wissenschaftlich, sozial oder was weiß ich halten, dann setzen sie sich genauso automatisch in Bewegung wie der gedankenlos-triebhafte Mensch sich bei irgendwelchen in ihm ablaufenden organischen – oder sonstigen äußeren anregenden – Gründen in Bewegung setzt.
Man sagt: frei sei der Mensch, wenn er nur unter der Herrschaft seiner Vernunft stehe und nicht unter der der animalischen Begierden. Oder auch: Freiheit bedeute, sein Leben und Handeln nach Zwecken und Entschlüssen bestimmen zu können.
Mit Behauptungen solcher Art ist aber gar nichts gewonnen. Denn das ist ja eben die Frage, ob die Vernunft, ob Zwecke und Entschlüsse in gleicher Weise auf den Menschen einen Zwang ausüben wie animalische Begierden. Wenn ohne mein Zutun ein vernünftiger Entschluss in mir auftaucht, gerade mit derselben Notwendigkeit wie Hunger und Durst, dann kann ich ihm nur notgedrungen folgen, und meine Freiheit ist eine Illusion.
Die bedeutsame Frage mit Blick auf die Freiheit ist also nicht die, dass man bestimmte Gedanken hat,
sondern die, wie diese Gedanken, die zu einem Entschluss führen, in einem entstehen:
Nicht darauf kommt es an, ob ich einen gefassten Entschluss zur Ausführung bringen kann, –
und das war es ja, was David Icke oben kritisierte (Anmerkung IH) –
sondern wie der Entschluss in mir entsteht.
Sobald ich aber von den Gründen meines Handelns weiß, Sobald ich weiß, warum mein Denken mir das eine oder das andere Motiv ins Bewusstsein geworfen hat, bin ich aber nicht mehr in demselben Maße unfrei, wie ich es bin, wenn diese Motive einfach ohne mein eigenes Zutun in mir auftauchen oder wenn mich meine Leidenschaften mit sich fortspülen.
Dass eine Handlung nicht frei sein kann, von der der Täter nicht weiß, warum er sie vollbringt, ist ganz selbstverständlich. Wie verhält es sich aber mit einer solchen, von deren Gründen gewusst wird? Das führt uns auf die Frage: welches ist der Ursprung und die Bedeutung des Denkens?
…
Wir mögen die Sache anfassen wie wir wollen: immer klarer muss es werden, daß die Frage nach dem Wesen des menschlichen Handelns die andere voraussetzt nach dem Ursprunge des Denkens. Ich wende mich daher zunächst dieser Frage zu.
Das tat Rudolf Steiner dann in den folgenden Kapiteln seiner „Philosophie der Freiheit“.
Siehe dazu nicht nur die hier auf Umkreis-Online bestehende Rubrik zur „Philosophie der Freiheit“ sondern auch die Suchhilfe zu den verschiedenen Kapiteln und Rubriken zu dieser Frage.
Ansonsten verweise ich hier abschließend noch auf jene wunderbare Passage in einem Artikel Rudolf Steiners,
die in kurzen Worten dieses ganze Streben nach Freiheit des Menschen, das in der „Philosophie der Freiheit“ sehr sorgfältig und Schritt für Schritt ausgeführt wird, zusammenfasst (Nr. 271 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 40):
Alles höhere Streben des Menschen ist ein Streben nach Freiheit. Frei über den Trieben der Natur, frei über den Gesetzen der Sinnlichkeit, frei über Leidenschaften und Menschensatzungen zu walten, das ist des bessern Menschen Weg und Ziel. Immer weniger dem zu unterliegen, was die Natur fordert, und immer mehr dem zu folgen, was der Geist als Idee erkannt hat, das befreit den Geist. Freiheit ist Herrschaft des Geistes über die Natur, der Idee über die Wirklichkeit. Was ich den Gesetzen der Natur gemäß vollbringe, das muss ich tun, ebenso wie der Regentropfen nach einem unabänderlichen Gesetze zur Erde fallen muss. Handle ich nur aus solchen natürlichen Antrieben, so bin ich kein wahres Selbst, keine freie Persönlichkeit, denn ich treibe mich nicht selbst, ich werde getrieben, ich will nicht, ich muss. Je mehr ich aber das Licht des Geistes in mir entzünde, desto freier werde ich. Jetzt erst kann ich sagen: ich bin es, der da handelt, der etwas vollbringt. Zugleich tritt der Umstand hinzu, dass ich weiß, welchem Lichte ich folge, dass ich das Objekt, auf das mein Handeln abzielt, in reiner, durchsichtiger Form im Geiste vor mir habe. Ich folge nicht um meiner Individualität willen, sondern wegen des erkannten Objektes. Ein solches Handeln ist, obgleich es wahrhaftig erst aus dem Selbst entspringt, vollkommen selbstlos. Denn es wird von dem Selbst nicht um des Selbstes willen vollbracht. Eine solche Handlung ist eine Handlung aus Liebe, das ist eine aus voller Hingabe des Selbstes an das Objekt hervorgegangene. Im tiefsten Grunde erfasst sind also wirklich freie Taten nur die Taten aus Liebe.
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