Das Wunschgehalt – Das junge Team eines IT-Unternehmens realisiert, was Viele sich nicht vorstellen können

 

 

von Ingo Hagel

 

 

Immer wieder habe ich hier auf Umkreis-Online – zum Beispiel unter den Schlagworten „Arbeit darf keine Ware mehr sein“, „Leiharbeit und Werkverträge“, auf die Missstände unserer heutigen Arbeitswelt hingewiesen.

Siehe dazu auch den Artikel: Verdient man sein Geld wirklich selbst?

Immer wieder habe ich – unter dem Schlagwort „Teilungsvertrag“ – auch auf eines der Heilmittel der Sozialen Dreigliederung hingewiesen, um die Ausbeutung der Menschen, die sich unaufhaltsam immer weiter durch eine sich schläfrig in Sicherheit wiegende Bevölkerung frisst, zu beenden: Nämlich den Impuls, dass nicht mehr ein „Chef“ oder „Unternehmer“ von oben herab die Löhne der eingekauften Arbeiter bestimmt, sondern dass sämtliche Mitarbeiter, die – gemeinsam mit dem Management – an der Herstellung eines Produktes gearbeitet haben, auch gemeinsam mit dem Chef und dem Management über die Verteilung der auf diese Weise generierten Erlöse bestimmen. Diese Ideen finden die meisten Menschen heute noch so spannend wie Farbe beim trocknen zuzusehen.

Nun ist es das junge Team eines IT-Unternehmens aus Hamburg, das realisiert, was Viele nicht denken können: Gemeinsam wird in der Belegschaft über das Gehalt bestimmt beziehungsweise darüber, was jeder meint, als Grundlage für sein Leben (vulgo: Lohn) verdienen zu dürfen. Und mehr noch: Es war nicht eine unzufriedene und revoltierende Belegschaft, die den Chef zu diesem Schritt drängten, sondern dieser hatte selber, ohne dass ihn die Verhältnisse dazu zwangen, den Impuls zu dieser grandiosen Idee. Reinhard Spranger berichtet in seinem Buch „Geld oder Leben – Was uns wirklich antreibt“, wie der Mitgründer der Firma elbdudler, Julian Vester, auf diese Idee kam:

…..  „Wie soll eigentlich bei uns Leistung bewertet werden?“ Denn bald wuchs die Firma auf 35 Mitarbeiter, und je mehr Teammitglieder an Bord kamen, desto schwerer fiel es Mitgründer Julian Vester, 30, zu beurteilen, wer was leistet und wieviel er dafür verdienen soll. „Ich will nicht, dass jemand das Thema Geld im Kopf hat. Das blockiert die Arbeit. Jeder soll bei uns das verdienen, was er braucht.“ Also stellte er 2013 seine Idee des Wunschgehalts den Kollegen vor – und sie stimmten zu. 

Selbstverständlich geht dieser Prozess nicht ohne die Schmerzen einer Selbsterkenntnis. Aber warum erwarten die Menschen hier in Deutschland denn immer weiter diese von oben verordnete Bürokraten- und Beamtenmentalität und -verhältnisse, die die Dinge von oben für sie regeln? elbdudler Mitgründer Julian Vester sprach ja auch dieses Thema in dem Clip an.

Ich habe dann in der Uni gearbeitet in einem studentischen Projekt und da auch meinen Mitgründer Jonas kennengelernt, und wir haben uns da immer darüber aufgeregt, wie das abläuft in so einer Uni-Struktur, so behördlich, und alles ist irgendwie so träge und bürokratisch. Und dann haben wir frei, aber auch für Agenturen gearbeitet, und haben festgestellt, wie es da zugeht: Wie die ihre Kunden verarschen, wie sie die Leute anlügen und sich selber anlügen. Und wir konnten das alles gar nicht glauben und haben dann gesagt: Wir machen das anders. Wir machen das einfach so, wie wir uns wünschen, wie wir gerne arbeiten würden. 

Hier machen ein paar junge Leute vor, wie es gehen könnte. Noch ein Absatz aus dem Buch von Reinhard Spranger „Geld oder Leben – Was uns wirklich antreibt“:

Projektmanagerin Melanie Joos, 28, hat den Prozess miterlebt. Sie verdiente 3.500 Euro, ihr Wunschgehalt lag bei 4000 €. Wie schwer fiel die Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung? „Ich habe mein Wunschgehalt verglichen mit dem, was Kollegen verlangen und dann überlegt, was die leisten, und wo ich mich selbst eingruppieren würde!“, so Joos. Jedes Wunschgehalt wurde von einer Peer-Review bewertet. Ein Prozess, unter den Kollegen wurde angestoßen – ein Prozess hin zu noch mehr Verantwortung für sich selbst und die anderen, ein Prozess, der auch wehtat. „Nun, wo der Faktor Gehalt dazu gekommen ist, über den jeder mitbestimmen kann, fühlt sich auch jeder dazu aufgerufen, ehrlicher zu kommunizieren. Da ist viel auf den Tisch gekommen“, so Joos. Alle mussten sich damit auseinandersetzen, was sich das Unternehmen leisten kann, und so mancher Projektablauf wurde im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit neu bewertet. ….

Viele Medien berichteten nur widerwillig und giftig über dieses großartige soziale Ereignis. So quengelte die österreichische „Woman“ nach einer kurzen Mitteilung zu dem Ereignis hinsichtlich einer angeblich ungleichen Bezahlung der Frauen herum:

Erstaunlich, aber leider im negativen Sinne, ist jedoch, dass 80 Prozent der höheren Gehälter von Männern eingefordert wurde. Die Frauen gaben sich – wie leider allzu oft im Berufsleben – wieder einmal zu bescheiden.

Dabei hatte „Woman“ das Thema „via: Zeit.de“ übernommen, aber nicht ordentlich gelesen, denn Julian Vester, einer der Geschäftsführer bei elbdudler und Erfinder des Wunschgehaltes hatte dort gesagt:

Im Durchschnitt verdient die Frau bei uns weniger. Das liegt aber daran, dass wir leider keine Entwicklerin haben und Entwickler (egal, ob männlich oder weiblich; Anmerkung IH) eher mehr verdienen.

Auch die BUNTE berichtete über das grandiose Ereignis unangemessen knapp und kühl, fragte nach dem Gehalt, das sich Vester selbst gerne geben würde, und bemerkte nach dessen offener Antwort misstrauisch:

Seine Mitarbeiter fänden das „okay“, die Frage bleibt, ob sie auch die Wahl hätten, etwas anderes zu sagen …  

Was schreibt Ihr Journalisten Euch nur für ein hastiges und empfindungsloses Zeug zusammen bei derart einschlagenden Ereignissen, die mit Blick auf die soziale Entwicklung und Zukunft Deutschlands Veranlassung zu berechtigten Hoffnungen – angesichts des ansonsten moralisch immer weiter moralisch herunterkommenden wirtschaftlichen Umfelds (s. zum Beispiel hier) – entstehen lassen.

 

 

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