von Ingo Hagel
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Heute rennen viele Leute esoterischen Richtungen nach, die behaupten,
das Denken sei schlecht, man müsse davon wegkommen und es aufgeben. –
Und die Influencer und Werbeagenturen, ob nun politisch oder nicht, bedienen längst und seit langem sowieso nur noch das Gefühl. Es geht nicht mehr um Argumente, um Logik, um Einsicht, um Wahrheit und die Suche nach ihr – höchstens um Meinungen, Empfindungen, Empfindsamkeiten, Betroffenheiten. –
Scharen von Menschen sind damit ganz einverstanden, weil wirkliches Denken selbstverständlich sehr anstrengend ist. Vielleicht sind sie aber auch deswegen so einverstanden, weil sie empfinden, dass so, wie dieses Denken heute getrieben wird, zu nichts führt, und dass auch niemals etwas Gedeihliches dabei herauskommen wird.
Vielleicht empfinden sie aber auch, dass so, wie die menschlichen Konstitutionen heute in diesem intellektuellen Denken verhakt sind, innerhalb des eigenen Organismus nur Zerstörung betrieben wird, die schmerzhaft ist. Da ist etwas Wahres dran. Aber diese Art von intellektuellem Denken –
beziehungsweise bei den allermeisten Leuten: Nicht-Denken –
kann niemals geheilt werden, wenn man das Denken überhaupt aufgeben will. Stattdessen muss das Denken heute in der richtigen Weise intensiviert werden. –
Siehe dazu auch hier auf Umkreis-Online die Rubrik: Denken – aber richtig! – sowie die Rubrik zur „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners sowie zur Suchhilfe dazu. –
Das ist natürlich auch überhaupt kein Denken,
das die Menschen da heute so mit sich herumschleppen in ihren gewöhnlichen Leben und gewöhnlichen Bewusstsein. Das, was die Menschen heute in ihrem Bewusstsein herumtragen, sind ja nur Sinneswahrnehmungen, die höchst unbewusst mit Gedanken durchzogen sind –
die man also nicht merkt, weil sie von der Sinneswahrnehmung völlig zugedeckt werden –
so dass man sich in der Sinneswelt so gerade eben noch zurechtfinden kann und nicht bei Rot über die Ampel und ansonsten auch nicht gegen irgendwelche Betonwände fährt. Aber ein wirkliches Denken ist das alles nicht, da es begrifflich viel zu unklar, schwach und verschwommen ist:
Rudolf Steiner dazu: Eigentlich scharf denken können nur diejenigen Menschen heute, welche sich gewisse naturwissenschaftliche Vorstellungen angeeignet haben. Die anderen sind versucht, verschwommen zu denken.
Naturwissenschaftliche Vorstellungen eignet man sich jedoch nicht nur dann an,
wenn man ein entsprechendes Studium absolviert hat. Bei diesem kann eine scharfe Begriffsbildung –
wenn es gut geht – aber auch in diesem Metier ist ja Vieles normalverteilt –
zwar besonders ausgeprägt sein. Aber naturwissenschaftliche Vorstellungen durchziehen unser gesamtes Leben. Ich staune immer wieder über – nur zum Beispiel – die Automechaniker, die doch ein sehr differenziertes Begriffsleben über diese metallenen Zusammenballungen entwickeln müssen, die man Autos nennt, und deren naturwissenschaftlich-mechanischen Zusammenhänge sie gut verstehen müssen, wenn sie sie reparieren wollen.
Freut man sich nun gar sehr, weil man vielleicht zum inneren Kreis
dieser naturwissenschaftlichen Garde gehört, und sich nun stolz die drei Finger seiner rechten Schreibhand ablecken kann ob seiner besonders gut ausgebildeten naturwissenschaftlichen Vorstellungen, zieht Rudolf Steiner an anderer Stelle die geistigen Daumenschrauben noch ein wenig fester an, indem er sagt, dass die Menschen heute keine Gedanken haben. Sie gehen gedankenlos durchs Leben. Auch die Naturwissenschaftler:
Siehe zum Beispiel Nr. 350 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 262:
Sehen Sie, im 19. Jahrhundert hat man ja große naturwissenschaftliche Entdeckungen gemacht, aber keine Gedanken gefunden. Die Gedanken sind alle von alten Zeiten genommen worden. Gedanken hat es tatsächlich nur in alten Zeiten der Menschheit gegeben.
Und Nr. 151 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 10:
Und diese Schwierigkeit besteht darin, dass es zwar wahr ist, dass man in jeder Faser des Gedankens drinnen lebt und daher den Gedanken, wenn man ihn hat, von allen Vorstellungen am intimsten kennen muß; aber, ja aber – die meisten Menschen haben keine Gedanken! Und dies wird gewöhnlich nicht mit aller Gründlichkeit durchdacht, dass die meisten Menschen keine Gedanken haben.
Das heißt, dass diese Naturwissenschaftler zwar gelernt haben,
ordentlich und sachgemäß an den Phänomen in der Sinneswelt entlangzudenken –
und nicht irgendwelche Fantasien in diese hineinzudenken, sondern nur das als Faktum zu akzeptieren und zu formulieren, was durch die Beobachtung gedeckt ist –
dass sie mit diesem Bewusstseinsinhalt zwar erfolgreich Technik betreiben können, dass diese Bewusstseinsinhalte aber keine wirklichen Gedanken darstellen. Denn Gedanken sind nicht etwas, was den Dingen der äußeren Sinneswelt irgendwelche Wort-Etiketten umhängt, damit man sich über diese besser verständigen kann (vulgo: sogenannte Info), sondern wirkliche Gedanken sind etwas, das im Bewusstsein bestehen bleibt, wenn alles äußere Sinnliche aus diesem Bewusstsein entfernt wird.
Können wir also zu obigen Aussagen, dass auch die Naturwissenschaftler keine wirklichen Gedanken haben,
ein zwar zerknirschtes, vielleicht sogar entsetztes, aber letztlich doch ein bejahendes Verhältnis gewinnen, dann kann es einen nicht vom Studium der „Philosophie der Freiheit“ abhalten, sondern vielmehr aufmuntern, wenn man von Rudolf Steiner erfährt, dass diese seine „Philosophie der Freiheit“ nun nicht, –
wie all der andere intellektuelle Unsinn, der einem täglich – nur zum Beispiel –aus der Glotze und aus den Zeitungen fällt –
nur weitere tote, abstrakte Begriffe darstellt, sondern dass es sich bei den in der „Philosophie der Freiheit“ entwickelten Vorstellungen –
die ja viele Menschen „Abstraktionen“ nennen –
ausnahmsweise und völlig überraschend –
und zuerst gar nicht nachvollziehbar –
um lauter lebendige Begriffe handelt:
… ich nenne sie die konkretesten, lebendigsten Vorstellungen, weil die „Philosophie der Freiheit“ ja lauter lebendige Begriffe entwickelt.
Wenn wir dazu zuerst kein oder kein richtiges Verhältnis entwickeln können, dann ist das nicht die Schuld dieses Buches, sondern die Schuld unserer verkrusteten Denkstrukturen. Dieses Buch gibt einem aber Mittel an die Hand, diese aufzubrechen. Es ist letztlich ein Mittel zum Leben, nicht zum Sterben, auch wenn es sich zuerst einmal tatsächlich danach anfühlen sollte.
Das wirkliche Denken muss immer gewollt werden.
Es ist eine Willenstätigkeit, die ins Unendliche gesteigert werden kann, damit sich das vollziehen und realisieren können was Rudolf Steiner oben so beschrieb,
dass man in jeder Faser des Gedankens drinnen lebt und daher den Gedanken, wenn man ihn hat, von allen Vorstellungen am intimsten kennen muss;
Solange da im Bewusstsein noch etwas anderes drinnen lebt, was man nicht selber durch seine eigene Willenstätigkeit produziert hat, so lange kommt man von dem wirklichen Leben des Gedankens weg.
Das wirkliche Denken muss immer von diesen Sinneswahrnehmungen, die permanent und dauernd drohen, es zu überdecken und in den sonstigen Dreck der Seele zu stampfen, gereinigt werden. Wenn das Denken von den Sinneswahrnehmungen nicht befreit und hinaufgehoben wird in diese Sphäre des sinnlichkeitsfreien, reinen Denkens, dann kann man eben nicht denken, dann hat man keine wirklichen Gedanken. Dieses gereinigte, sinnlichkeitsfreie Denken lernt man zum Beispiel an der Philosophie der Freiheit Rudolf Steiners –
oder, wenn man diese philosophische Ader nicht hat – an der Anthroposophie selber. –
Aber Rudolf Steiner sagte, dass er zum Verstehen dieser „Philosophie der Freiheit“
eigentlich keine anderen Gedanken voraussetzte als sie zum Verstehen einer Dampfmaschine nötig sind (GA 212 S. 105):
Nur solche Ideen für die äußere Naturerkenntnis setzte ich meiner «Philosophie der Freiheit» voraus, wie man sie notwendig hat, um auch eine Dampfmaschine zu begreifen.
Das ist doch eigentlich sehr beruhigend und macht Mut. Also hier die ersten Sätze des ersten Kapitels dieser wunderbaren „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners, mit denen dieses Thema eingeleitet und aufgerollt wird (GA 4 S. 15):
Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit? Auf wenige Fragen ist so viel Scharfsinn gewendet worden als auf diese. Die Idee der Freiheit des menschlichen Willens hat warme Anhänger wie hartnäckige Gegner in reicher Zahl gefunden. Es gibt Menschen, die in ihrem sittlichen Pathos jeden für einen beschränkten Geist erklären, der eine so offenkundige Tatsache wie die Freiheit zu leugnen vermag. Ihnen stehen andere gegenüber, die darin den Gipfel der Unwissenschaftlichkeit erblicken, wenn jemand die Gesetzmäßigkeit der Natur auf dem Gebiete des menschlichen Handelns und Denkens unterbrochen glaubt. Ein und dasselbe Ding wird hier gleich oft für das kostbarste Gut der Menschheit wie für die ärgste Illusion erklärt. Unendliche Spitzfindigkeit wurde aufgewendet, um zu erklären, wie sich die menschliche Freiheit mit dem Wirken in der Natur, der doch auch der Mensch angehört, verträgt. Nicht geringer ist die Mühe, mit der von anderer Seite begreiflich zu machen gesucht wurde, wie eine solche Wahnidee hat entstehen können. Dass man es hier mit einer der wichtigsten Fragen des Lebens, der Religion, der Praxis und der Wissenschaft zu tun hat, das fühlt jeder, bei dem nicht das Gegenteil von Gründlichkeit der hervorstechendste Zug seines Charakters ist. …
Will man sich aber, weil man oben angeführte philosophische Ader
zum Studium der „Philosophie der Freiheit“ vielleicht nicht hat –
obwohl man doch nun wirklich erwarten dürfte, dass wenigstens diejenigen, die an den deutschen Hochschulen und Universitäten von Berufs wegen Dampfmaschinen, Motoren, technische Zusammenhänge und so weiter entwickeln, lehren und studieren, an diesem Thema eine Interesse haben sollten –
doch nur an diese Anthroposophie selber halten, dann ist es auch dort so, dass auch diese zuerst schwierig zu verstehen sein mag. Aber sie ist durchaus zu verstehen, sie ist nicht unverständlich, auch wenn sie sich in der reinen Begrifflichkeit abspielt. Und auch, obwohl Rudolf Steiner immer wieder so gütig ist, uns in dieser Anthroposophie viele wunderbare Eselsbrücken aus der sinnlichen Welt zum Verstehen anzubieten, an denen wir uns wie Schiffbrüchige ohne Freischwimmerzertifikat an einer Planke im Meer festhalten können, damit wir in den unergründlichen Weiten und Wogen der geistigen Welt nicht ertrinken, kaum dass wir begonnen haben, uns nur ein wenig die Netz- und Gehirnhaut an diesem Ozean zu netzen.
Man muss das wirkliche Denken immerfort üben, und das dauert lange.
Man kann nicht sagen, man könne von Hier auf Jetzt einen Schalter umlegen. Das geht nicht. Die Leute haben darüber in der heutigen Elektrogeräte-Mentalität von
Cool! Wie schließe ich das an?
völlig falsche Vorstellungen. Es müssen Kräfte gebildet werden. Und das dauert seine Zeit. Das ist aber im Fitnessstudio nicht anders. Es geht letztlich um die Umwandlung der leiblich-seelisch-geistigen Konstitution des Menschen. Also Umstrukturierung. Machen Banken und Firmen eigentlich jeden Tag. Sonst verschwinden sie eben vom Markt.
Die Aktie der Deutschen Bank wird derzeit mit etwa 7 Euro gehandelt.
Am 31.12.1993 stand das Papier bei 886,50 DM.
Nur der Mensch will nicht. Glaubt, er sei perfekt und fertig. Aber der Mensch wird nicht vom Steuerzahler gerettet werden. Er kann sich nur selber retten. –
Die Mittel dazu sind da, werden aber nicht gesehen beziehungsweise abgelehnt. –
Dann werden die Menschen auch die soziale Gemeinschaft retten können.
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