Rudolf Steiner: Barbarisierung der Kultur ohne die orientierende Kraft der Ideen

 

Aus Nr. 260 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 274:

Sehen Sie, die Zivilisation der Gegenwart lässt sich begründen mit dieser Form des geistigen Lebens, die eben seit so langer Zeit gepflegt worden ist; aber das Leben lässt sich damit nicht begründen. Diese Zivilisation könnte eine Zeitlang fortgehen. Die Seelen würden eben während des Wachens nichts ahnen von dem Hüter der Schwelle, während des Schlafens von ihm zurückgewiesen werden, damit sie nicht paralysiert würden, und zuletzt würde das bewirken, dass ein Menschengeschlecht in der Zukunft geboren würde, welches keinen Verstand, keine Möglichkeit, Ideen im Leben anzuwenden, in diesem künftigen Erdenleben zeigte, und das Denken, das Leben in Ideen würde von der Erde verschwinden. Ein krankhaftes, bloß instinktives Menschengeschlecht würde die Erde bevölkern müssen. Schlimme Gefühle und Emotionen allein, ohne die orientierende Kraft der Ideen, würden Platz greifen in der Menschheitsentwickelung. Ja, es ist so, dass nicht nur in der geschilderten Weise sich durch die Beobachtung der vor dem Hüter der Schwelle stehenden Seele, die keinen Einlass gewinnen kann in die geistige Welt, dass nicht nur dadurch ein trauriges Bild sich darbietet dem geistig Schauenden, sondern auch noch in einer anderen Beziehung. 

Nimmt man eine Menschenwesenheit, die nun nicht aus westlicher Zivilisation, sondern aus östlicher Zivilisation entsprungen ist, mit auf jener Wanderung, die ich charakterisiert habe, auf der man beobachten kann die schlafenden Menschenseelen vor dem Hüter der Schwelle, nimmt man eine solche östliche Menschenwesenheit mit, dann kann man von ihr die Geist-Worte wie einen furchtbaren Vorwurf gegenüber der gesamten westlichen Zivilisation erheben hören: Seht ihr, wenn das so fortgeht, wird schon, wenn die Menschen, die heute leben, neuerdings in einer Inkarnation auf Erden erscheinen, die Erde barbarisiert sein. Die Menschen werden ohne Ideen, nur noch in Instinkten leben. 

Anmerkung IH: Mit dem Obigen will Rudolf Steiner nicht sagen, dass nun das östliche Geistesleben hier nach im Westen getragen werden soll, denn dieses östliche Geistesleben ist bereits selber in der Dekadenz versunken. Ich kann das hier nur kurz anreißen. Worum es hier im Westen geht, ist, aus den Errungenschaften dieser modernen westlichen, technischen, naturwissenschaftlichen Kultur wiederum zu einem geistigen, spirituellen Leben zu kommen, ohne diese Stufe des modernen und klaren Bewusstseins zu verlieren. Die ersten Schritte dazu hat Rudolf Steiner durch seine „Philosophie der Freiheit“ dargestellt. Siehe dazu die vielen Artikel hier auf Umkreis-Online sowie die verschiedenen, daran angrenzenden Rubriken Wissenschaft, Denken, aber richtig!, Verfall des Verstandes, Spiritualität, Dekadenz der führenden Klasse und so weiter und so fort.

 

 

 

 

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