Aus Nr. 189 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 107 (Hervorhebungen IH):
Nun haben sich im modernen sozialen Organismus zahlreiche Verquickungen, Zusammenschmelzungen der Warenzirkulation mit anderem herausgestellt, und das hat diesen modernen sozialen Organismus zu seinen revolutionären Konvulsionen getrieben. Man glaubt heute – und das ist auch eine realisierte Phantastik – nicht nur Ware gegen Ware zu tauschen, sondern man glaubt auch Ware gegen menschliche Arbeitskraft wie im Lohnverhältnisse zu tauschen; und fernerhin glaubt man Ware oder deren Repräsentanten, das Geld, zu tauschen gegen dasjenige, was, solange es vom Menschen nicht verändert ist, nicht Ware sein kann, Grund und Boden zum Beispiel. Denn der Grund und Boden ist als solcher kein Objekt des Wirtschaftsprozesses. Auf dem Grund und Boden werden Objekte des Wirtschaftsprozesses gewonnen durch menschliche Tätigkeit, aber der Grund und Boden ist als solcher kein Objekt des Wirtschaftsprozesses. Was im Wirtschaftsprozess, im sozialen Organismus überhaupt für den Boden in Betracht kommt, das ist, dass der eine oder andere ein Recht hat, ausschließlich diesen Boden zu benützen und zu bearbeiten. Dieses Recht auf den Boden ist es, was wirklich eine reale Bedeutung für den sozialen Organismus hat. Der Boden selber ist nicht Ware, sondern Waren entstehen auf ihm. Und was da eingreift, ist das Recht, das der Besitzer hat auf den Grund und Boden. Wenn Sie also käuflich, das heißt durch Tausch, ein Grundstück erwerben, so erwerben Sie in Wirklichkeit ein Recht, das heißt, Sie tauschen eine Sache gegen ein Recht, wie es ja schließlich auch beim Kaufe von Patenten der Fall ist.
Da greift man tief hinein in jene Verquickung, die so Unseliges bewirkt hat, in jene Verquickung des reinen politischen Rechtsstaates mit dem Wirtschaftsleben, wofür es keine andere Heilung gibt, als die Auseinandertrennung. Das Wirtschaftsleben muss man für sich walten lassen in der reinen Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsumtion, in einem assoziativen Leben, in dem sich Produktion, Konsumtion, die einzelnen Berufsinteressen, die die Menschen zusammenschließen, in ein entsprechendes Verhältnis stellen. Aber innerhalb dieser Assoziationen und assoziativen Gruppen wird nur gewirtschaftet, so wie im menschlichen Verdauungssystem eben nur die Verdauung vor sich geht; und dann wird diese Verdauung auf der anderen Seite ergriffen von dem selbständigen Lungen-Herzsystem, das für sich mit der Außenwelt in Beziehung steht; was im Verdauungsprozess lebt, wird weiter in Empfang genommen von dem, was selbständiger Atmungs-Herzprozess ist. So muss als selbständig, aus einer besonderen Quelle her das, was im Wirtschaftsleben als Recht verankert ist, festgestellt werden. Das heißt, es muss alles das, was sich auf politische Verhältnisse bezieht, die sich im Rechtsleben und anderem ausdrücken, neben dem Wirtschaftsleben eine relative Selbständigkeit haben.
Sehen Sie, wenn man das durchschaut, merkt man auch die Unwahrheit, die in dem Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegt und die sich so darstellt, als wenn die Arbeitskraft wirklich vergütet würde. Sie wird nämlich zunächst gar nicht unmittelbar vergütet, sondern nur mittelbar. Was vorliegt, ist ein gewisses scheinbares, aber zur Gewalt, zur wirtschaftlichen Gewalt gewordenes Recht, durch das der Arbeitgeber den Arbeiter an die Maschine oder in die Fabrik hineinzwingt – nicht ganz offenbar, aber eigentlich im geheimen hineinzwingt. Was nun getauscht wird, ist in Wirklichkeit nicht Arbeitskraft und Ware oder Warenrepräsentant, das heißt Geld, sondern was getauscht wird, sind die Leistungen: die hervorgebrachte Ware des Arbeiters, das, was er hervorbringt. So dass da gegen einen kleinen Teil dieser Waren, die der Unternehmer ihm gibt, wirklich getauscht wird Ware gegen Ware. Und da stellt sich erst die Unwahrheit dar, als ob Ware gegen Arbeitskraft getauscht würde. Und das Geheimnis davon empfindet der moderne Proletarier als menschenunwürdig, indem er sich sagt: Du produzierst so und so viel an Ware, und davon gibt dir der Unternehmer nur so und so viel ab.
Anmerkung IH: Siehe dazu auch hier:
Rudolf Steiner: Der wirtschaftlich Schwache wird betrogen – Zum Abscheu des Arbeiters davor, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber so verkaufen zu müssen, wie man auf dem Markt Waren verkauft – Die menschliche Arbeitskraft muss daher des Warencharakters entkleidet werden, indem sie aus dem Wirtschaftsprozess herausgenommen wird
Das rechtmäßige Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmer kann nämlich gar nicht in der Sphäre des Wirtschaftsprozesses hergestellt werden, sondern nur in der Sphäre des politischen Staates als ein Rechtsverhältnis. Darauf kommt es an. Steht der Mensch auf der einen Seite auf dem Boden des Wirtschaftslebens und auf der anderen Seite auf dem Boden des selbständigen Rechtslebens, dann wird dieses Wirtschaftsleben von zwei Seiten her bestimmt. Auf der einen Seite ist das Wirtschaftsleben abhängig von den von der Menschentätigkeit unabhängigen Naturfaktoren. Ich habe Ihnen angeführt in den öffentlichen Basler Vorträgen, wie zum Beispiel je nach dem Erträgnis, das eine bestimmte Bodengegend in Bezug auf Weizen hat, andere menschliche Arbeitskraft angewendet werden muss, als wo ein anderes Erträgnis, eine andere Ertragsfähigkeit vorliegt. Das sind die Naturgrundlagen. Die grenzen auf der einen Seite an das Wirtschaftsleben an. Auf der anderen Seite muss zum Beispiel mit Bezug auf die Arbeitskraft aus dem Rechtsleben fließen, was als ein Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich herausstellen soll.
Nun werden Leute, die die Dinge bloß an der Oberfläche sehen, sagen: Ja, aber das ist ja heute schon der Fall, denn es wird der Arbeitsvertrag geschlossen. – Ja, meine lieben Freunde, was nützt das, wenn der Arbeitsvertrag geschlossen wird über etwas, was eigentlich ein kaschiertes Lügenverhältnis ist. Der Arbeitsvertrag wird nämlich gerade über das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bezug auf die Arbeitskraft und ihre Entlohnung geschlossen. Erst dann wird das richtige Verhältnis hergestellt werden, wenn der Vertrag nicht geschlossen wird über die Entlohnung, sondern wenn der Vertrag ganz sichtbar geschlossen wird über die Art und Weise, wie der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Leistung, die geschieht, teilen. Dann wird der Arbeiter – und darauf kommt viel mehr an als auf alles, was die Leute heute glauben – einsehen, dass ohne Mehrwerterzeugung gar nicht auszukommen ist. Aber er muss darauf schauen können, wie der Mehrwert entsteht. Er darf nicht in ein Lügenverhältnis hineingebaut werden. Dann wird er einsehen, dass es ohne Mehrwerterzeugung überhaupt keine geistige Kultur, dass es auch keinen Rechtsstaat geben kann, denn das fließt alles aus dem Mehrwert. Aber wenn der soziale Organismus gesund ist, ergibt sich das alles aus dem dreigliedrigen sozialen Organismus.
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