Jahr 2010

Zur Einladung des Goetheanums an einen Ratsbeauftragten der Evangelischen Kirche, die Landwirtschaftliche Tagung 2010 mitzugestalten

Das Thema der Landwirtschaftlichen Tagung 2010 der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft (Sektion für Landwirtschaft) am Goetheanum lautete: „Christliche Impulse in der Landwirtschaft“. Als Vortragender war auch ein Vertreter der Evangelischen Kirche Deutschlands (Dr. Clemens Dirscherl) eingeladen. Aus der anthroposophischen Sache heraus ist es völlig unnötig, dass die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft auf ihrer Suche nach einer Verbindung zwischen der Landwirtschaft (oder irgendeinem anderen Lebens-, Arbeits- und Forschungsgebiet) und dem Christlichen einen Vertreter der Kirche bemüht. Auch dürfte die Frontlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Anthroposophie überdeutlich gezogen sein, indem für diese die „Anthroposophie mit den Grundlagen aller christlichen Kirchen unvereinbar“ ist. Mit dem Beitrag von Clemens Dirscherl über "Landwirtschaft aus christlicher Perspektive" war daher bestenfalls ein nicht-anthroposophischer Vortrag zu erwarten.

Zu den politischen Bestrebungen der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum

Kürzlich wurden die drei neuen Leiter der Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum zur Frage der Zukunft der politischen Arbeit ihrer Sektion interviewt. Ihre Meinung dazu war: „Die politische Arbeit geht weiter.“ Man hält es an der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum seit geraumer Zeit für eine Innovation, Politikern und Funktionären und ihren (nicht-anthroposophischen) Ansichten ein Forum zu bieten. Das Problem ist zusätzlich, dass dieser (politische) Unsinn, der vom Goetheanum vorexerziert wird, offenbar wie eine Bombe in der Peripherie eingeschlagen hat und andernorts nachgemacht wird. Dabei ist es jedoch so, dass „die politische Arbeit“ an der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft nichts verloren hat. Da am Goetheanum darüber spätestens seit der Zeit, in der Nikolai Fuchs die Leitung der Sektion für Landwirtschaft innehatte, offenbar völlige Verwirrung eingetreten ist, möchte ich hierzu auf einiges hinweisen, was in den Statuten der Anthroposophischen Gesellschaft verankert ist.

Alnatura wirkt … nicht überzeugend

Gerne gibt sich der Öko-Filialist Alnatura einen anthroposophischen Touch. In der neuen „einmaligen Sonderauflage“ des Heftes „Alnatura wirkt“ (Untertitel: „Sinnvolles für Mensch und Erde“) bekennt sich Alnatura-Chef Götz Rehn persönlich dazu: „Ich kann verschiedene Dimensionen der Wirklichkeit denken - neben der materiellen auch die lebendige, seelische, ideelle. Diese ganzheitliche Methode hat Rudolf Steiner, anschließend an Goethe und Schiller, als moderne Erkenntniswissenschaft entwickelt. Sie ist die Grundlage meiner „erweiterten“ Weltsicht.“ Diese „erweiterte Weltsicht“ steht allerdings in ziemlichen Kontrast zu einigen Inhalten dieses Alnatura-Heftes.

Alnatura und die Lohnfrage im „anthroposophischen Unternehmertum“

Ende März 2010 erhielt Götz Rehn, „Gründer, Geschäftsführer und alleiniger Eigentümer von Alnatura“ in der taz unter der Überschrift „Ein Ökokapitalist sahnt ab“ negative Schlagzeilen wegen der untertariflichen Bezahlung der Angestellten seiner Bio-Supermarktkette. .... Viele bekannte Medien berichteten über die Lohnproblematik bei Alnatura. ... Nach drei Tagen Medienbeschuss lenkte Alnatura ein und versprach, künftig allen Mitarbeitern mindestens Tariflöhne zu zahlen. ... Mit der Meldung von Alnatura, dass nun kein Mitarbeiter mehr unter Tarif bezahlt wird, ist das Problem der Lohnfrage jedoch nicht im Sinne eines „anthroposophischen Unternehmertums“ gelöst, wenn man damit den Sozialgedanken Rudolf Steiners meint. Dort geht es stattdessen um die Verteilung des gemeinsam von „Arbeitsleitern und Arbeitsleistern“ erwirtschafteten Erlöses durch einen Teilungsvertrag.

Demeter Un-Sinn: Biologisch-dynamische Produkte sollen die Sinnestätigkeit fördern

In der Zeitschrift Lebendige Erde (5/2007 S. 54) wurde Stefan Illi, Geschäftsführender Vorstand des Demeter e.V, gefragt, wo es denn hingehen sollte mit Demeter und der biologisch-dynamischen Sache in den nächsten Jahren. Seine „ganz persönliche Zehn-Jahres-Vision für den Verband“ formulierte er so: "Bis 2017 gelingt es dem Verband - dank Unterstützung und Koordination von Forschung und guter Vernetzung mit anderen Akteuren ein neues Verständnis von Ernährung zu verbreiten: Wichtig sind nicht nur die Nährstoffe, sondern das Potenzial eines Lebensmittels, denKonsumenten z.B. in seiner Lebendigkeit und Sinnestätigkeit zu fördern" (Hervorhebung IH). ... Bei der Begründung der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise (Markenzeichen Demeter) handelt es sich nicht um eine gutgemeinte, außerplanmäßig-vorzeitige „Zugabe“ Rudolf Steiners an die von seinen vielen unverständlichen okkulten Mitteilungen ermatteten Zuhörer, vielleicht um der (stramm konventionell-naturwissenschaftlich orientierten) Ökobewegung (nach dem Muster „endlich mal was Praktisches ...“) die Steigbügel zu halten. Erstere gründet sich mit den (als der „Landwirtschaftliche Kurs“ bekannten) Vorträgen völlig auf die Anthroposophie, ist aus ihr herausgeboren und mit den geistigen Zielen der anthroposophischen Welt- und Menschenerkenntnis verbunden. Ohne die Anthroposophie, das heißt ohne dass man sich als Praktiker, Forscher, Züchter oder Demeter-Funktionär (sinnvoll) auf sie bezieht und sie in sein Tun einbezieht - wird sie nicht überleben; höchstens als die leere Hülle eines (immer konventioneller werdenden) Bioverbandes unter vielen. Hat man sich aber mit der Anthroposophie vertraut gemacht - und nicht nur auf Demeter-Funktionärstreffen ein paar Schlagworte aufgeschnappt - erscheint einem das von Stefan Illi so locker in die „bio-dynamische“ Medien- und Seelenlandschaft der Zeitschrift „Lebendige Erde“ hingeworfene - und nicht weiter erläuterte - Ziel des Demeter e.V., „den Konsumenten z.B. in seiner ... Sinnestätigkeit zu fördern“ als - bestenfalls missverstandener - Un-Sinn, dessen Realisierung für den Konsumenten eine Katastrophe wäre.

Biokäufer ernähren sich gesünder? Studie des Max-Rubner-Institutes lenkt vom Wesentlichen ab

Ende Juni 2010 wies das FIBL Deutschland auf den Abschluss der Nationalen Verzehrsstudie II des Max-Rubner-Institutes hin, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) gefördert wurde. Diese Studie könnte allerdings für die Biobewegung zum Problemfall werden, da sie den Blick vom Wesentlichen ablenkt. Gemäß der Studie ernährten sich Biokäufer gesünder als Nicht-Biokäufer. "Sie verzehrten mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch und Wurstwaren als Nicht-Biokäufer. Auch Süßwaren und Limonaden wurden weniger konsumiert. Biokäufer rauchten weniger und waren sportlich aktiver als Menschen, die keine Biolebensmittel kauften." Aber ist dieses Ergebnis wirklich eine Überraschung? Daher muss man aus diesen bisher bekannt gewordenen Ergebnissen (der Endbericht der Studie wird erst im August 2010 erwartet) sagen, dass mit diesem Projekt leider die Chance vertan wurde, mit den vorhandenen sicher nicht unerheblichen Forschungsmitteln (angesichts einer aufwendigen Befragung von immerhin 14.200 Menschen!) innerhalb eines spezifisch auf die Belange und Bedürfnisse des Ökologischen Landbaus ausgerichteten Forschungsförderungsprogramms (es handelte sich um ein Forschungsprojekt „im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau“!) sinnvollere und für die Zukunft des Ökologischen Landbaus wichtigere Fragen zu bearbeiten. Dazu gehört, den tatsächlichen Einfluss einer Ernährung mit Ökoprodukten auf das Wohlbefinden des Menschen im weitesten Sinne zu untersuchen. Über diese fragwürdige Mittelverwendung hinaus wäre es fatal, wenn diese Nationale Verzehrsstudie II in Zukunft zu dem (falschen) Urteil verführte, jegliches berichtete bessere Wohlbefinden von Biokonsumenten beruhe nicht primär auf realen Qualitätsunterschieden der verzehrten ökologischen Produkte, sondern auf den in dieser Studie herausgearbeiteten sekundären Einflüssen des Bio-Käufer-Lifestyles (gesündere Ernährung und Lebensweise).

Anmerkungen zur Pressemitteilung des BÖLW zur Studie der Stiftung Warentest

Wie auf Umkreis-Online bereits berichtet, hatte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zu der Studie der Stiftung Warentest zur Qualität von ökologischen und konventionellen Produkten nicht viel Substanzielles beizutragen: Nicht direkt, sondern nur indirekt – das heißt über Umwelt- und Naturschutz – besäßen Lebensmittel aus ökologischem Anbau eine Gesundheitswirkung. ... Ich bezweifele, ob diese Art von Ökoforschung wirklich einen Innovationsmotor für eine zukunftsfähige Landbewirtschaftung darstellt, mag der Forschungsansatz noch so auf „eine nachhaltige Landwirtschaft“, „multisysytemar“, „transdiziplinär“ und „systemisch“ ausgerichtet sein. Die Argumentation des BÖLW (und der Naturkost-Zeitschrift Schrot & Korn) zeigt, dass diese Vorgehens- und Denkweise, die vom Ökolandbau vollständig adaptiert worden ist, in Widersprüche und kraftlose Argumente hineinführt, die die Entwicklung des Ökologischen Landbau lähmen und diesen immer weiter konventionalisieren werden.

Ökologische und biologisch-dynamische Züchtung aus Hybriden

Anfang des Jahres 2010 fand sich im Demeter Intern Newsletter vom Januar die Mitteilung, dass die Sativa Rheinau AG in der Schweiz für die Züchtung des weltweit ersten samenfesten Zuckermaises mit dem vierten Förderpreis der Vereinigung der Schweizer Biolandbauorganisationen Bio Suisse ausgezeichnet worden war. Der Newsletter stellte dazu ein Dokument zur Verfügung, das sich beim Verfolgen des in diesem zum Schluss angegebenen Links als (bis auf ein paar Überschriften) abgeschrieben darstellte von einer Medienmitteilung der Bio Suisse vom November 2009. Es wäre verdienstvoller gewesen, wenn die Demeter-Presseabteilung - statt diese Medienmitteilung einfach nur zu kopieren - die Hintergründe dieses Ereignisses recherchiert und (kritisch) kommentiert hätte. Denn was hier vom Demeter-Verband – der ja immer wieder „für sich in Anspruch nimmt, Qualitätsführer bei Bio zu sein“ - gedankenlos übernommen und in seinem Newsletter mit der ebenfalls (aus dem Bio Suisse Papier) abgeschriebenen Zwischenüberschrift „weitsichtige Aufbauarbeit“ weitergereicht wird, ist durchaus problematisch.

Zu geringe Wertschätzung für Ökoprodukte II

Ende Mai 2010 veröffentlichte die Stiftung Warentest eine Untersuchung, wonach sich Ökoprodukte qualitativ nicht von konventionellen unterscheiden. Viele Medien berichteten darüber. So erfuhren zum Beispiel die Leser des Stern von einem „ernüchternden Ergebnis: Generell gesünder und schmackhafter sind die Ökoprodukte nicht.“ Vorteile für den Ökokäufer bestünden nur darin, dass dieser „vor allem sein ökologisches und soziales Gewissen“ beruhigt. Diese Untersuchung dürfte die Wertschätzung der Menschen für Ökoprodukte kaum steigern. Dafür sind aber auch die Ökoverbände mitverantwortlich. So gab des Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) unumwunden zu, dass er zum Gesundheitsaspekt von Ökoprodukten ebenfalls nichts direkt für den Menschen Positives erwartet. In dieser Beziehung ebenfalls bezeichnend ist ein Interview, das die pfiffige Redakteurin der Sendung Panorama, Anja Reschke, mit Urs Niggli, dem Direktor des renommierten Forschungssinstituts für Biologischen Landbau (FIBL) in der Schweiz (und Honorarprofessor für Ökologischen Landbau an der Universität Kassel in Witzenhausen) anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung der QLIF-Studie des Ökologischen Landbaus geführt hatte. Was gibt es bei solchen Einschätzungen hochrangiger Ökoforschungsfunktionäre noch einen Grund für den Verbraucher, sich beim Kauf für Ökoprodukte zu entscheiden?

Zu geringe Wertschätzung für Ökoprodukte I

Nicht nur der biologisch-dynamische Landbau ist sowohl in ideeller als auch in praktischer Hinsicht (z.B. im Handel) für den Konsumenten kaum noch zu erkennen. Auch der Ökologische Landbau insgesamt bleibt mit seiner Entwicklung - trotz seines guten und wichtigen Anliegens - weit hinter seinem Potenzial zurück. Nach einer Pressemitteilung des BÖLW im Januar 2010 nahm zwar nach einer mehrere Jahre dauernden Stagnation die Zahl der Öko-Betriebe in 2009 um 6 % zu - nach 86 Jahren Biolandbau macht diese Form der Landbewirtschaftung jedoch immer nur noch magere 5,9 % der gesamten Landwirtschaft in Deutschland aus. Und auch der Mengenabsatz von Bio-Produkten stieg zwar weiter an. Letzteres war jedoch nur durch insgesamt rückläufige Preise für Ökoprodukte zu erreichen (bereits in 2008 hatte Alnatura die Preise für 120 Lebensmitttel dauerhaft gesenkt, worüber zum Beispiel die taz berichtet hatte). „Der Bio-Fachhandel hat noch ein großes Wachstumspotenzial. .... Die Kunden schätzen das attraktive Bio-Sortiment und die kompetente Beratung im Bio-Fachhandel,“ sagte BÖLW-Vorstand Götz Rehn. In der Tat: so kann man die missliche Lage auch schönreden.

Zur Finanzkrise

Als Anfang Mai 2010 (auch mit Krediten des IWF) der 750 Milliarden Euro teure EU-Rettungsschirm für den angeschlagenen Euro beschlossen wurde, bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diesen als alternativlos: "Wir schützen das Geld der Menschen in Deutschland", sagte sie im Kanzleramt in Berlin. Das Paket sei notwendig, um die „Zukunft des Euro zu sichern" (WELT Online, 10 Mai 2010). Prof. Clemens Fuest (Berater von Finanzminister Wolfgang Schäuble) gab eine ganz andere Sicht der Motive: „Wir retten mit dem Paket und den EZB-Maßnahmen nicht nur Griechenland vor der Pleite, sondern vor allem unsere eigenen Banken. Deutsche und französische Institute besitzen griechische Anleihen in Höhe von über 30 Milliarden Euro. Die müssten sie abschreiben, wenn Athen zahlungsunfähig würde.“