Rudolf Steiner wurde mit seinen geistigen Impulsen des Goetheanismus und der Anthroposophie überall herauslanciert


 

von Rudolf Steiner

 

 

Rudolf Steiner berichtet dazu in Nr. 185 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (Hervorhebungen IH):

Nun, ich habe öfter erwähnt, dass es ja sehr gut ginge, in die Arbeiterschaft geistiges Leben hineinzubringen. 

Anmerkung: „Von 1899-1904 war Rudolf Steiner Lehrer an der 1891 von dem Sozialdemokraten Wilhelm Liebknecht, 1826-1900, begründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin, zuerst in den Fächern Geschichte und Redeübung, später auch in Naturwissenschaft.“ Darauf bezog sich Rudolf Steiner in der Behandlung eines Einwandes eines Zuhörers:

…..ich möchte nur aber etwas richtigstellen, was immerhin darauf hinweisen kann, dass dieser Redner doch die Sache nicht so ganz genau genommen hat. Er hat zum Beispiel meinen Hinweis darauf, dass ich jahrelang in der Arbeiterbildungsschule gelehrt habe in Berlin, dahin verdächtigt, dass er sagte: Das wird wohl nur ein liberaler Bildungsverein gewesen sein. — Ich habe ausdrücklich gesagt, es war die von dem alten Liebknecht, von Wilhelm Liebknecht begründete Arbeiterbildungsschule! Nun glaube ich nicht, dass Sie zuschieben dem alten Liebknecht, dass er einen x-beliebigen Bildungsverein für die Arbeiterschaft begründete, wie ihn die Arbeiterschaft in der damaligen Zeit auch gar nicht entgegengenommen hätte. Die Zuhörer waren nicht Menschen aus den «gewöhnlichen bürgerlichen Liberalen», sondern lediglich Arbeiter, lediglich aus den Kreisen der Proletarier und durch die Bank organisierte Sozialdemokraten!

(GA 328 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite: 169)

Aber die Führerschaft der Arbeiterschaft will das nicht haben, was nicht auf marxistischem Boden gewachsen ist. Und so wurde ich ja auch da nach und nach herauslanciert. Ich lancierte Geist, versuchte es, es gelang auch bis zu einem gewissen Grade, aber mich lancierte man nach und nach heraus. Als ich das einmal geltend machte in einer Versammlung, wo alle meine Schüler waren, die nach Hunderten zählten, und nur vier Leute waren, die von der Parteileitung gegen mich hineingeschickt waren, aber die doch bewirkten, dass ich natürlich nicht bleiben konnte – ich höre noch lebhaft, wie ich sagte: Nun, wenn man schon will, dass der Sozialismus irgendwie etwas zu tun habe mit der Entwickelung nach der Zukunft hin, so muss er doch die Freiheit des Lehrens, die freien Ideen gelten lassen -, da rief einer der abgeschickten Trabanten der Parteileitung: Es kann sich innerhalb unserer Partei und deren Schulen nicht handeln um Freiheit, sondern um einen vernünftigen Zwang. – Solche Dinge charakterisieren, ich möchte sagen, tief symptomatisch dasjenige, was pulst und west in unserer Zeit. Man muss die Zeit auch an ihren bedeutungsvollen Symptomen erfassen. Man soll ja nicht glauben, dass das moderne Proletariat nicht nach geistiger Nahrung drängt. Es drängt furchtbar und intensiv darnach. Aber die Nahrung, die geboten wird, sie ist zum Teil diejenige, auf die ohnedies das moderne Proletariat schwört, nämlich die positivistische Wissenschaft, die materialistische Wissenschaft, oder zum Teil ist es unverdauliches Zeug, das den Leuten eben Steine statt Brot gibt. Sie sehen, die «Philosophie der Freiheit» musste sich auch da stoßen, weil gerade ihr Fundamentalimpuls, der Freiheitsimpuls, keinen Platz hat in dieser modernsten Bewegung.

 

 

Als ich von der Realschule an die Hochschule kam, da hörte ich verschiedene Dinge, ließ mich in verschiedene Dinge inskribieren. Es waren lauter Dinge, die mich nichts angingen, denn nirgends konnte man den Impuls desjenigen verspüren, was wirklich zusammenhängt mit der Evolution unseres Zeitalters. Und ohne albern werden zu wollen – ich habe ja neulich erzählt, wie ich überall herauslanciert worden bin -, darf ich sagen, dass ich vor allen Dingen eine gewisse Sympathie hatte für jene Universitas, die der Goetheanismus ist dadurch, dass Goethe im Grunde genommen, indem er durch die Universitätsbildung ging, auch durch etwas ging, was ihn nichts anging in Wirklichkeit. Goethe hat sich blutwenig befasst in Leipzig, in der damaligen Universität im damaligen königlichen Sachsenlande, mit dem, was er da hören konnte, und er hat sich später wiederum in Straßburg blutwenig befasst mit dem, was er da hören konnte. Und dennoch, alles das, selbst das Künstlerischeste des Künstlerischen bei Goethe ruht auf solidem Boden sogar strengster Naturanschauung. Goethe ist wider alles Universitätswesen in die modernsten Impulse auch des Erkennens hineingewachsen. Das ist dasjenige, was man, wenn man von Goetheanismus spricht, nicht aus dem Auge verlieren darf. Das ist dasjenige, was ich in meinen Goethe-Studien und auch in meinem Buche «Goethes Weltanschauung» gerne den Menschen zum Bewusstsein gebracht hätte. Den wirklichen Goethe hätte ich gerne den Menschen zum Bewusstsein gebracht. Nur – es war das Zeitalter nicht dazu da. Es fehlte sozusagen in ganz erheblichem Maße der Resonanzboden. Dass Ansätze dazu da waren, das habe ich neulich erwähnt; sie waren doch in Weimar gegeben, der Boden war in Weimar gewissermaßen dazu gegeben. Aber auf diesen Boden stellte sich nichts Rechtes, und diejenigen, die darauf gestellt waren, lancierten die anderen weg, die auf diesem Boden hätten stehen können. Wäre die neuere Zeit ein wenig von Goetheanismus durchdrungen, sie würde mit Sehnsucht Geisteswissenschaft aufnehmen, denn der Goetheanismus bereitet den Boden für die Aufnahme der Geisteswissenschaft vor. Dann aber würde wiederum dieser Goetheanismus zur Methode für eine wirkliche Gesundung der Menschen der Gegenwart. Ja, man muss nicht oberflächlich das Leben der gegenwärtigen Zeit betrachten!

 

 

Als ich meine «Philosophie der Freiheit» hier vor acht Tagen besprochen habe, da habe ich versucht, Ihnen darzustellen, wie ich mit meinem Wirken eigentlich es dahin gebracht habe, überall herauslanciert zu werden. Sie erinnern sich wohl noch an dieses Herauslancieren auf den verschiedensten Gebieten. Ja, ich darf wohl sagen: Auch mit dem Goetheanismus darf ich mich von den verschiedensten Seiten her als herauslanciert betrachten, da, wo ich versucht habe in den letzten schweren Jahren, die Menschheit auf ihn hinzuweisen. Goetheanismus ist ja nun wirklich nicht, dass etwas über Goethe gesagt wird, sondern Goetheanismus kann es auch sein, wenn man sich die Frage auf wirft: Was geschieht am besten irgendwo an irgendeiner Stelle der Welt, jetzt, wo alle Völker der Welt miteinander raufen? – Aber auch da fühlte ich mich überall herauslanciert. Das sage ich nicht aus Pessimismus, denn dazu kenne ich die Konstitution des Karma viel zu gut. Das sage ich auch nicht, weil ich nicht morgen doch dasselbe machen würde, was ich gestern gemacht habe, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bieten würde. Aber ich muss es sagen, weil es notwendig ist, manches zur Kenntnis der Menschheit zu bringen, weil die Menschheit nur dadurch, dass sie in die Wirklichkeit hineinschaut, dazu kommen kann, ihrerseits selbst die Impulse zu finden, die dem gegenwärtigen Zeitalter angemessen sind. Muss es denn durchaus sein, dass die Menschen gar nicht dazu kommen können, durch das Regemachen desjenigen, was in ihren Herzen und ihren innersten Seelen sitzt, den Weg zu finden zum Lichte? Muss es denn auf dem Wege des äußeren Zwanges sein? Muss es denn auf dem Wege geschehen, dass erst alles zusammenbricht, damit die Menschen anfangen zu denken? Soll man nicht diese Frage doch jeden Tag, jeden Tag aufs neue aufwerfen? Nicht verlange ich, dass der einzelne dies oder jenes tut, denn ich weiß sehr gut, wie wenig man in der Gegenwart tun kann. Aber was notwendig ist, ist Einsicht zu haben, nicht immer dieses falsche Urteil und dieses Nichtbemühen zu haben, in die Dinge hineinzuschauen, wie sie ihrer Wirklichkeit nach sind.