Guter Journalismus als öffentliches Gut – Zur Frage der Finanzierung des kulturellen Lebens


von Ingo Hagel 

 

Man kann sich ja durchaus darüber freuen, wenn immer weniger Fernsehzuschauer die propagandistischen Hauptnachrichtensendungen im deutschen Fernsehen verfolgen.

Einen verdienstvollen Überblick über deren verlogenes Treiben vermittelt zum Beispiel anhand der Kriege in Libyen und Syrien die Seite Hinter der Fichte.

Aber auch die bekannte amerikanische Zeitung Newsweek wird es demnächst nur noch als Online-Version geben. Magnus Göller auf Zeitgeist Online schrieb dazu:

….  Innerhalb nur eines Jahrzehnts sei die Auflage von 4 auf 1,5 Millionen geschrumpft, entsprechend liefen Verluste auf.  ….   Wenn ein solches Medium, geradezu der Prototyp eines Schafsmediums   ….  eingeht, kann man das eigentlich nur feiern, zumal es ein Signal an den Rest ist, wie es einem ergehen kann, wenn man nur Mainstreammist umgabelt.

Leider gehen aber nicht nur die “Schafsmedien” ein.

Auch die ‚Neue Zürcher Zeitung‘ stellt sich radikal darauf ein, dass Print seine Bedeutung verliert. Im neuen Online-Portal gibt es nur die ersten zwanzig Artikel pro Monat kostenlos, dann muss sich der Leser entscheiden, ob er zum Weiterlesen ein Abonnement abschließt.

Der österreichische Journalist Robert Misik fragt sich jedoch mit Recht, warum Newsweek mit einer enorm hohen Auflage von zuletzt 1,5 Mio. als Printmedium defizitär arbeitete und daher eingestellt werden muss – und stellt sehr differenziert einige Betrachtungen über die Zukunft des Qualitäts-Journalismus an.

Misik ist der Ansicht, dass der Markt einen guten Qualitätsjournalismus offensichtlich nicht finanzieren kann. Seine Schilderungen einer Zwei-Klassen-Gesellschaft von ausgebeuteten Niedrig-Lohn-Journalisten in den Redaktionen, die bei gleicher Arbeit – aber nur einer armseligen Bezahlung – die bestehenden Alt-Journalisten mit ihren hohen Gehältern mittragen, entsprechen nicht nur österreichischen Verhältnissen. Sie sind Bild einer sozialen Lüge, die auf allen Gebieten immer größere Teile der Gesellschaft ergreift.

 

Die heutige Finanzwirtschaft ist das große Krebsgeschwür der Zeit

Das rein ökonomische Denken vor allem der heutigen Finanzwirtschaft ist das große Krebsgeschwür der Zeit, das alles andere in einer Gesellschaft auffrisst. Alle Gelder, die vorhanden sind oder erzeugt werden in einer Gesellschaft, werden immer wieder nur reinvestiert allein in diesen Geldbereich, nur um Rendite zu erzeugen, die dazu heute immer fiktiver wird, weil sie immer mehr den Zusammenhang mit der realen Produktion im Wirtschaftsleben verloren hat und sich durch die Zockereien der Finanzwirtschaft generiert. Daneben bleibt für die Kultur, für das geistige Leben einer Gesellschaft nichts übrig. Und Robert Misik sagt ganz einfach am Beispiel des Qualitätsjournalismus: Was ist uns dieses geistige Leben wert, angesichts ihrer Bedeutung für eine freie Gesellschaft? Lasst uns das ändern! Geben wir dem guten Journalismus – der Kultur und dem geistigen Leben einer Gesellschaft – eine Existenzgrundlage. Einem Journalismus, der durchaus ja unterschiedlicher Ansicht sein kann, aber der keine lügenhafte Propaganda darstellen soll, sondern der in die Tiefe schürfen muss mit seinen Gedanken und seinen Recherchen. Was ist es dieser Gesellschaft wert, dass ein solcher Journalismus seine Arbeit tun kann und die Gesellschaft erhält?

 

Guter Journalismus als ein öffentliches Gut

Angesichts der offensichtlichen Problematik auf diesem Gebiet fordert Misik dazu auf, diese Tatsache einer Nicht-Finanzierbarkeit des Qualitäts-Journalismus doch einfach anzuerkennen, denn dann könne man weitersehen und den nächsten Schritt tun. Dieser besteht für ihn darin, guten Journalismus als ein öffentliches Gut anzusehen – also so wie Straßen, Versorgung mit Wasser, Strom, Telefon etc.. Misik hält guten Journalismus für unverzichtbar für eine Demokratie. Bei dieser ginge es doch wohl nicht nur um Ökonomie – also die vordergründige Frage der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität. Eine Gesellschaft, die diese Demokratie will, kann nicht leben ohne guten Journalismus und gut informierte Bürger.

 

„Der Markt“ zerstört die Demokratie

Robert Misik macht also – am Beispiel eines guten Journalismus – auf nichts anderes aufmerksam, als dass die Finanzwirtschaft, das bestehende rein ökonomische Denken, „der Markt“, das gesamte übrige Leben, die Demokratie zerstört. Und nach einer Demokratie, wenn diese keine Lebensbedingungen mehr vorfindet, kommt eben die Diktatur. Dieses System der reinen ökonomischen Gesichtspunkte leistet letztendlich nicht der Freiheit sondern der Unfreiheit Vorschub. Aus den Zeit-Phänomenen ist das ja durchaus erkennbar.

Misik sieht einen guten Journalismus also als ein öffentliches Gut an, das wir brauchen. Ein öffentliches Gut, dass bereitgestellt werden und wofür gesorgt werden muss, wenn man die freiheitliche Existenz einer demokratischen Gesellschaft nicht aufs Spiel setzen will. Und wenn „der Markt“ die Finanzierung dieses öffentlichen Gutes „Qualitätsjournalismus“ nicht hergibt, dann müsste diese doch von anderer Seite gesichert werden.

 

Wer soll den Qualitätsjournalismus finanzieren – und wer verteilt die Gelder?

Misik fragt sich: Was ist uns der Journalismus wert? Und was ist uns guter Journalismus wert?

– Soll die Finanzierung der Medien nicht einfach der Markt regeln?

– Oder soll der Staat die Medien finanzieren?

In Österreich läuft diese Finanzierung einiger ausgewählter Medien durch den Staat bereits. Misik weist auf den Skandal der Inserate von österreichischen Bundesländern, Gemeinden und staatsnahen Unternehmen in verschiedenen Medien hin. Dabei handelt es sich um eine Art versteckter Presseförderung, die aber merkwürdigerweise nur in sogenannte Radau- und Krawall-Medien fließt, die den genannten Organisationen offensichtlich sehr genehm sind. Einige von diesen Medien würden sicher nicht existieren, wenn sie nicht künstlich vom Staat am Leben gehalten würden.

Die Finanzierung des Journalismus in Österreich durch den Staat ist also bereits eine Tatsache, sie läuft aber nicht in die richtigen Kanäle, sondern dient ausgesprochen selektiv nur der Festigung bestimmter politischer Machtstrukturen. Die Frage ist also nicht nur: Sollen bestimmte kulturelle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die für dessen freiheitliche und demokratische Existenz ausschlaggebend sind, von anderer Seite als vom Markt eine Förderung erfahren? Da „der Staat“ offensichtlich nicht der geeignete Vermittler dieser Fördermittel ist, wer soll es dann machen? Müsste nicht sogar eine eigenständige und unabhängige Organisation aus diesem kulturellen Leben selbst heraus gegründet werden, die aus sachlicher und begründeter Einsicht – und nicht aus politischem oder wirtschaftlichem Machtinteresse heraus – eine gerechte Verteilung dieser Mittel besorgen würde?

 

Aber es geht ja nicht nur um den Journalismus

Aber es geht ja nicht nur um den Journalismus. Wie ist es mit den Schulen, Universitäten, sonstigen Ausbildungsstätten? Dazu geht es neben den Journalisten um die anderen Autoren, Publizisten, Künstler, Wissenschaftler und so weiter. Das gehört ja alles zu einer gesunden Existenz einer freien Gesellschaft dazu. Heute droht auf diesen Gebieten die Freiheit verlorenzugehen, indem alles der Wirtschaft einverleibt werden soll: Es ist das Ziel der internationalen Finanzwirtschaft, alles, was bis jetzt noch ein öffentliches Gut ist – also Schulen, Krankenhäuser, Universitäten, die Luft zum Atmen (s. Emissionshandel) in das Wirtschaftsleben zu integrieren und dem Ökonomiegedanken zu unterwerfen. Die Probleme, die diese Machenschaften zum Beispiel auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft erzeugt haben, die immer mehr Kommunen und Städte unter undurchsichtigsten Verträgen an Investoren verkauften, sind offensichtlich. Das prominenteste Beispiel auf diesem Gebiet ist wohl die Stadt Berlin, deren Einwohner die Regierung letztlich zu einem Rückkauf des verscherbelten Wassersystems zwangen.

 

Wofür braucht es einen guten Journalismus, wenn die Menschen aufgrund eines unmenschlichen Existenzkampfes keine Zeit mehr dafür haben?

Und natürlich muss man sich fragen, wofür braucht es diesen Journalismus, wenn die Menschen, wie Misik es ja auch erwähnt, mit drei verschiedenen Minijobs beschäftigt sind, um sich im Lebenskampf rein existenziell über Wasser zu halten? Wenn sie miserabel bezahlt werden, wenn sie aufgrund dieses unmenschlichen Existenzkampf überhaupt keine Zeit und keine Fähigkeit mehr haben und entwickeln können, um diesen Qualitätsjournalismus – und alle übrigen Kulturgüter – schätzen zu können? Dann muss man sagen, dann braucht es auch diesen Qualitätsjournalismus nicht mehr, dann ist er wirklich überflüssig. Dann hat das Wirtschaftsleben und die Ökonomie in ihrem Zynismus wirklich recht, wenn sie sagt: Das ist nicht mehr nötig, weil keiner mehr da ist, der dafür noch einen Bedarf hat. Dann brauchen wir den Qualitätsjournalismus und alles übrige einer geistigen Kultur nicht, denn es gibt keine Abnehmer mehr für dieses Produkt. Das heißt aber, wenn man sich konsequent Gedanken um die Zukunft eines guten Journalismus macht, dann ziehen diese zwangsläufig Überlegungen einer sozialen Veränderung im weitesten Sinne nach sich, bei denen sozusagen kein Stein mehr auf dem anderen bleibt.