von Ingo Hagel
In einem Interview im Spiegel (auch das Manager Magazin wies darauf hin) brachte vor kurzem als erster Chef eines Dax-Konzerns Linde-Chef Wolfgang Reitzle einen möglichen Austritt Deutschlands aus dem Euro-Raum ins Gespräch:
Er sei „nicht der Meinung, dass der Euro um jeden Preis gerettet werden muss“. Und „wenn es nicht gelingt, die Krisenländer zu disziplinieren, muss Deutschland austreten“.
Die aus einem Euro-Austritt entstehenden Nachteile könnten innerhalb kurzer Zeit überwunden werden:
Dies würde zu einer Aufwertung „der D-Mark, des Euro-Nord, oder welche Währung wir dann auch hätten, führen.“ Zwar würde in den ersten Jahren die Arbeitslosigkeit steigen, weil der Export einbreche, aber dann würde der Druck zunehmen, noch wettbewerbsfähiger zu werden. Die deutsche Wirtschaft könnte diesen Schock nach einigen Jahren überwunden haben. „Schon fünf Jahre später könnte Deutschland im Vergleich zu den asiatischen Wettbewerbern noch stärker dastehen“, glaubt Reitzle.
Auch die BÜSO machte auf dieses bemerkenswerte Interview aufmerksam: Helga Zepp-LaRouche nannte das Spiegel-Interview mit Linde-Chef Wolfgang Reitzle einen „Testballon“.
Die deutsche Industrie merke langsam, dass sie mit dem gegenwärtigen System nicht besonders gut fahre und reagiere, wenn auch spät, nicht überraschend.
In der Tat steht Reitzle nicht allein. Auch Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel begrüßte Überlegungen zu einem Euro-Austritt, und betonte, dass der Linde-Chef wohl nicht der einzige Dax-Konzernchef sei, der so denke wie er:
„Unter vier Augen erzählt man mir Ähnliches schon seit langem“, sagte Henkel.
Erst vor wenigen Tagen forderte der Wirtschaftsboss in einem Interview, Deutschland müsse die Euro-Zone unverzüglich verlassen. Ohne Aufwertung der eigenen Währung verschenke die Bundesrepublik große Teile ihres Wohlstands: „Auch wenn es Barroso, Merkel & Co. noch nicht wahrhaben wollen: Das Euro-Experiment ist gescheitert!“
Die Darstellungen von Linde-Chef Reitzle, Ex-Thyssen-Chef Spethmann, Ex-BDI-Chef Henkel und offenbar vielen anderen, die hinter ihnen stehen, sind als ein erstes und hoffnungsvolles Zeichen zu verstehen: Auch das Wirtschaftsleben begreift, dass es von der Politik und der internationalen Finanzelite verschaukelt und betrogen wird. Der von diesen angezettelte Wirtschaftskrieg wird auch das Wirtschaftsleben ruinieren. Nun wachen einige auf. Daher kommt natürlich gleich von „höchsten“ Stellen Sperrfeuer:
Mehrere Chefs von Dax-Konzernen haben sich zum Euro bekannt: In einer Umfrage betonten die Manager die Bedeutung der Gemeinschaftswährung für die deutsche Wirtschaft und distanzierten sich von Linde-Chef Reitzle.
Ja, das ist in Ordnung. Soll das Wirtschaftsleben über diese Fragen debattieren und beraten, aber – bitte sehr – das gesamte Wirtschaftsleben aller deutschen Unternehmer. Und ohne die Machenschaften einer unfähigen und korrupten Politik, die längst nicht mehr dem Wohl des Volkes verpflichtet ist, und ohne die Machenschaften einer allmächtigen Finanzwirtschaft. Dann wollen wir mal sehen, was da herauskommt, wenn sich wirklich alle Unternehmer in Deutschland, jeder Mittelständler und ein Geschäft Betreibende an dieser Diskussion und deren Entscheidung beteiligen kann.
Der Linde Chef, Spethmann, Henkel, sie alle haben das richtige Gespür, die Zeit ist reif: Das deutsche Wirtschaftsleben muss sich erheben gegen korrupte und unfähige Politiker von Helmut Schmidt bis Angela Merkel, Schäuble und wie sie alle heißen, die den Menschen mit ihrem Europagesäusel (Wir müssen alle Opfer bringen usw. usw.) nichts als die Unfreiheit verkaufen.
Und das merkt mittlerweile auch die Wirtschaft wohl immer mehr, dass nicht nur die Menschen in Deutschland von immer mehr Rettungsschirmen und Transferzahlungen von der Politik und der Finanzwirtschaft über den Tisch gezogen wird und ihrer Selbständigkeit beraubt wird. Also: soll sie sich mobilisieren. Sie muss es machen. Das deutsche Volk wird es nicht machen – jedenfalls glaube ich nicht daran. Das deutsche Wirtschaftsleben muss dieses Euro-, Polit- und Bankenrettungsdesaster beenden. Denn es handelt sich um ein Gebiet, das ihr zusteht.
Es muss unterschieden werden zwischen Finanzwirtschaft und produktiver Wirtschaft
Die produktive Wirtschaft – die wirklich durch vieler Hände Arbeit konkrete Waren und Dienstleistungen produziert – muss sich also gegen die unproduktive Finanzwirtschaft und gegen die Politik stellen – und sich erobern, was ihr eigentlich zusteht: Die Entscheidungsbefugnis über das Finanzwesen. Denn diese gehört nicht in die Politik.
Anmerkung: Es ist interessant und aufschlussreich, wie sich im Moment aus tumultuarischen und chaotischen Verhältnissen heraus die Entwicklung eines sozialen Systems abzeichnet, das Rudolf Steiner vor fast hundert Jahren beschrieben hat. In diesem müssen die heute ineinander verfilzten Bereiche Politik und Wirtschaftsleben voneinander getrennt und verselbständigt, auf sich gestellt werden. Dadurch wird auch das heute fast völlig zum Erliegen gekommene freie Geistesleben die Bedeutung erhalten, die ihm zukommen muss. Nicht nur Wirtschafts- sondern auch die Währungsfragen gehören dabei in den Bereich des Wirtschaftsleben, nicht den der Politik. Letztere wird sich aus den vielen Bereichen, die sie heute besetzt und okkupiert hat, verabschieden müssen. Sie wird allein die Aspekte behandeln, die das Verhältnis von Mensch zu Mensch bezeichnen, also das Rechtswesen sowie die innere (Polizei etc..) und äußere Sicherheit (Armee) eines Staates. Auch der Bereich der Bildung, Forschung, Lehre usw. hat wie die Fragen des Wirtschaftsleben und der Währungsfragen nichts in der Politik zu suchen, sondern wird Aufgabe des freien Geisteslebens sein. Der Parlamentarismus von heute, der seinen völligen Bankrott ein ums andere Mal demonstriert, wird sich gliedern in drei Parlamente – und zwar je eines für das Wirtschaftsleben, das Rechtsleben (Politik) und das Geistesleben. Aber wie gesagt: in dem Parlament zum Beispiel des Wirtschaftslebens müssen alle am Wirtschaftsleben Beteiligten vertreten sein – was sich durch eine Untergliederung in örtliche, regionale sowie nationale Gruppen und Gremien unschwer wird erreichen lassen. Diese neue Demokratie muss die jetzige, die keine ist, nur so heißt und nie eine gewesen ist, ersetzen.
Und offenbar zeichnet sich diese Trennung ab. In diesem Interview mit Wolfgang Reitzle wird etwas sichtbar, von dem man nur hoffen kann, dass es stark genug ist. Aber im Grunde genommen ist diese produktive Wirtschaft – mit Blick auf ihre wirklichen produktiven Leistungen – wirklich sehr viel stärker und bedeutender als diese unproduktive und impotente – aber sich allmächtig gerierende – Finanzwirtschaft. Denn letztere kann aufgrund der herrschenden Machtverhältnisse nichts weiter, als Zahlen und Geld aus dem Nichts zu generieren und die Menschen zu drangsalieren. Und daher gehört diese unproduktive Finanzwirtschaft abgeschafft beziehungsweise auf ihr gesundes Maß zurückgeschraubt – nämlich das einer Bankenwirtschaft, die den Menschen und der übrigen Wirtschaft dient.