Zum Denken der „Philosophie der Freiheit“ mit dem Knochensystem

 

von Ingo Hagel

Es liegt vieles Unbekannte zugrunde den Geschehnissen der Welt, die offenbar sind.

Hier in diesem Artikel habe ich bereits die Aussage Rudolf Steiners behandelt, dass man seine „Philosophie der Freiheit“ in der richtigen Weise nicht mit dem Gehirn, sondern mit dem Knochensystem liest und versteht – besser: erlebt:       

Meine «Philosophie der Freiheit» ist wenig verstanden worden, weil die Leute nicht verstanden haben, sie zu lesen. Sie haben sie so gelesen, wie man ein anderes Buch liest, aber meine «Philosophie der Freiheit» ist nicht so gemeint wie andere Bücher. Meine «Philosophie der Freiheit» lebt zunächst in Gedanken, aber in richtig erlebten Gedanken. Nicht erlebte Gedanken, abstrakte, logische Gedanken, wie man sie heute in der Wissenschaft ganz allgemein hat, die erlebt man im Gehirn. Solche Gedanken, wie ich sie in meiner «Philosophie der Freiheit» ausgesprochen habe – jetzt kommt das Paradoxe – erlebt man als ganzer Mensch in seinem Knochensystem. Richtig als ganzer Mensch in seinem Knochensystem. 

Und:

Sehen Sie, so paradox es Ihnen klingen wird, so muß ich doch sagen, daß ein solches Buch wie meine «Philosophie der Freiheit» nicht durch die bloße Logik begriffen werden kann, sondern durch den ganzen Menschen verstanden werden muß. Und in der Tat, was in meiner «Philosophie der Freiheit» über das Denken gesagt wird, wird man nicht verstehen, wenn man nicht weiß, daß der Mensch eigentlich das Denken erlebt durch die innerliche Erkenntnis, durch das innerliche Erfühlen seines Knochenbaues. Man denkt eben nicht mit dem Gehirn, man denkt in Wirklichkeit mit seinem Knochenbau, wenn man in scharfen Denklinien denkt. Wenn das Denken konkret wird, wie es in der «Philosophie der Freiheit» der Fall ist, dann geht es eben in den ganzen Menschen über.

 

Auch behandelte ich die Schilderung Rudolf Steiners, 

dass, wenn man in der richtigen Weise die „Philosophie der Freiheit“ liest, man zu einem Abtasten seines inneren Menschen kommt: 

Kommt man aber dazu, dieses eben charakterisierte Denk-Erlebnis zu haben, dann ergreift man nicht die Welt; man hockt auch, möchte ich sagen, nicht in seinem Ichpunkte bloß drinnen, sondern es passiert etwas ganz anderes. Man bekommt das Gefühl, das ganz richtige Gefühlserlebnis, daß man mit seinem Denken, das eigentlich nicht an irgendeinem Orte ist, nach dem Innern alles erfaßt. Man fühlt: man tastet den inneren Menschen ab. So wie man mit dem gewöhnlichen Denken, ich möchte sagen, geistige Fühlfäden nach außen streckt, so streckt man mit seinem Denken, mit diesem Denken, das in sich selbst sich erlebt, fortwährend sich in sich selber hinein. Man wird Objekt, man wird sich Gegenstand.

Diese Darstellungen Rudolf Steiners geben wichtige Hinweise darauf, 

inwieweit es einem bereits gelungen ist, sich in ein richtiges Erlebnisverhältnis zu seiner „Philosophie der Freiheit“ – 

oder vielleicht auch überhaupt zur ganzen Anthroposophie – 

zu setzen. Man könnte ja einmal prüfen, in welchem Teil seines Organismus – Gehirn oder ganzer Mensch – man diese Inhalte erlebt. So etwas kann man ja durchaus fühlen. Rudolf Steiner: 

Man fühlt: man tastet den inneren Menschen ab.

Diese Schilderungen und Hilfestellungen Rudolf Steiners können Einen besser in die Lage versetzen, seinen eigenen geistigen Schwerpunkt vom Kopf, vom Gehirn – 

also von den Organen, mit denen weder die „Philosophie der Freiheit“ noch die Inhalte der Anthroposophie erlebt und verarbeitet werden können –  

in den ganzen Menschen zu verlagern.  

 

Den werdenden Lehrern der ersten Waldorfschule erklärt Rudolf Steiner 

diese Angelegenheit eines Denkens mit dem Knochensystem ebenfalls:  

Die Alten haben in ihrem Wissen immer eine Verwandtschaft gefühlt zwischen dem Nervenmark, der Nervensubstanz und dem Knochenmark oder der Knochensubstanz, und sie sind der Meinung gewesen, daß man mit dem Knochenteil ebenso denkt wie mit dem Nerventeil. Das ist auch die Wahrheit. Wir verdanken alles, was wir an abstrakter Wissenschaft haben, der Fähigkeit unseres Knochensystems. Warum kann der Mensch zum Beispiel Geometrie ausbilden? 

 

Der reale geistige Vorgang beim Denken eines Dreiecks 

im Zusammenhang mit der übersinnlichen Organisation des Menschen ist eben zum Beispiel ein ganz anderer als der, den sich der normale Mensch so gewöhnlich vorstellt: 

Denken Sie sich zum Beispiel an einem bestimmten Platze dieses Zimmers stehend. Sie führen zu gewissen Zeiten als übersinnliches Menschenwesen merkwürdige Bewegungen aus, von denen Sie für gewöhnlich nichts wissen, ungefähr in der Art: Sie gehen ein Stückchen nach der einen Seite, dann gehen Sie ein Stückchen zurück, und dann kommen Sie wieder an Ihrem Platze an. Eine unbewußt bleibende Linie im Räume, die Sie beschreiben, verläuft tatsächlich als eine Dreiecksbewegung. Solche Bewegungen sind tatsächlich vorhanden, Sie nehmen sie nur nicht wahr, …

Zum Bewußtsein bringt er es sich nicht, daß er sich sagte: Ich tanze da fortwährend in einem Dreieck. – Aber er zeichnet ein Dreieck und sagt: Das ist ein Dreieck! – In Wahrheit ist das eine unbewußt ausgeführte Bewegung, die er im Kosmos vollführt.

Was heißt das, dass der Mensch eine

unbewußt ausgeführte Bewegung … im Kosmos vollführt? 

 

Das heißt doch wohl das, was Rudolf Steiner zum Beispiel in seinem Vortrag 

auf dem philosophischen Kongress in Bologna ausführte, dass das wirkliche Ich nicht im Leibe drinnen ist, sondern draußen, im Kosmos (GA 35 S. 139): 

Und man wird deshalb zu einer besseren Vorstellung über das «Ich» erkenntnistheoretisch gelangen, wenn man es nicht innerhalb der Leibesorganisation befindlich vorstellt, und die Eindrücke ihm «von außen» geben läßt; sondern wenn man das «Ich» in die Gesetzmäßigkeit der Dinge selbst verlegt, und in der Leibesorganisation nur etwas wie einen Spiegel sieht, welcher das außer dem Leibe liegende Weben des Ich im Transzendenten dem Ich durch die organische Leibestätigkeit zurückspiegelt. Hat man sich einmal für das mathematische Denken mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß das «Ich» nicht im Leibe ist, sondern außerhalb desselben und die organische Leibestätigkeit nur den lebendigen Spiegel vorstellt, aus dem das im Transzendenten liegende Leben des «Ich» gespiegelt wird, so kann man diesen Gedanken auch erkenntnistheoretisch begreiflich finden für alles, was im Bewusstseinshorizonte auftritt. 

 

Da das, was dieses reale, wirkliche Ich dort draußen im Kosmos tut – 

also wenn der Mensch zum Beispiel ein Dreieck „tanzt“ – 

das wird dann den Menschen an seinem physischen Leib gespiegelt, und er bekommt es als gedachtes Dreieck ins Bewusstsein gespiegelt, während er die eigentlichen übersinnlichen Bewegungen im Kosmos, die sein wirkliches Ich ausführt – 

also das Ich, das Rudolf Steiner in der „Philosophie der Freiheit“ immer ohne Anführungszeichen schreibt – 

nicht in sein gewöhnliches Bewusstsein hereinbekommt. Er hat in seinem Bewusstsein nur das Dreieck. 

Zum Bewußtsein bringt er es sich nicht, daß er sich sagte: Ich tanze da fortwährend in einem Dreieck. – Aber er zeichnet ein Dreieck und sagt: Das ist ein Dreieck! – In Wahrheit ist das eine unbewußt ausgeführte Bewegung, die er im Kosmos vollführt. 

 

Aber der Okkultist sieht diese übersinnlichen Formen und Bewegungen, 

so wie er auch die verschiedenen anderen übersinnlichen Formen der geometrischen Körper sieht – 

der Würfel, das Oktaeder, das Dodekaeder, das Ikosaeder und so weiter

die es draußen in der Welt wirklich gibt, die also nicht ausgedachte nur im Kopf befindliche Konstrukte der Mathematiker sind:   

Diese Bewegungen, die Sie in der Geometrie fixieren, indem Sie geometrische Figuren zeichnen, führen Sie mit der Erde aus. Die Erde hat nicht nur die Bewegung, welche sie nach der Kopernikanischen Weltansicht hat: sie hat noch ganz andere, künstlerische Bewegungen, die werden da fortwährend ausgeführt. Und noch viel kompliziertere Bewegungen werden ausgeführt, solche Bewegungen zum Beispiel, die in den Linien liegen, welche die geometrischen Körper haben: der Würfel, das Oktaeder, das Dodekaeder, das Ikosaeder und so weiter. Diese Körper sind nicht erfunden, sie sind Wirklichkeit, nur unbewußte Wirklichkeit. Es liegen in diesen und in noch anderen Körperformen merkwürdige Anklänge an dieses für die Menschen unterbewußte Wissen. Das wird dadurch herbeigeführt, daß unser Knochensystem eine wesentliche Erkenntnis hat; aber Sie reichen nicht mit Ihrem Bewusstsein bis zum Knochensystem hinunter. Das Bewusstsein davon erstirbt, es wird nur reflektiert in den Bildern der Geometrie, die der Mensch da als Bilder ausführt. Der Mensch ist recht sehr eingeschaltet in den Kosmos. Indem er die Geometrie ausbildet, bildet er etwas nach, was er selbst im Kosmos tut. 

  

Die „Philosophie der Freiheit“ ist nunmal einfach abstrakt. 

Und so, wie man die abstrakte Geometrie mit dem Knochensystem denkt und versteht, muss man auch die abstrakte „Philosophie der Freiheit“ mit dem Knochensystem denken und verstehen und erleben – 

indem er seinen geistigen Schwerpunkt im Studium dieses Buches dorthin verlegt, in dem er an dieses Knochensystem appelliert. –

Das ist eben der große Irrtum, dass die Menschen glauben, sie denken diese abstrakten Dinge mit dem Kopf oder mit dem Gehirn: sie denken sie in Wirklichkeit mit dem Knochensystem. So wie man Bewegungen im Kosmos ausfüllt, wenn man ein Dreieck denkt, so führt man Bewegungen im Kosmos aus, wenn man die abstrakten Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ versucht, nachzudenken und zu erleben. Nur fällt es einem noch nicht auf, dass man sich mit seinem ganzen Menschen im Kosmos bewegt, weil man „nur“ die abstrakten Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ im Bewusstsein hat. Aber ein Teil seines Menschen ist bereits in diesem Kosmos hinausgerückt. Der Mensch weiß aber nichts davon, weder wenn er Geometrie denkt oder wenn er die „Philosophie der Freiheit“ denkt – aber immerhin führt er mit diesem abstrakten Denken mit seinem Wesen schon einmal diese übersinnlichen Bewegungen im Kosmos aus. Dann könnte es ja – 

bei genügendem Interesse, Neigung und Energie – 

irgendwann auch einmal dazu kommen, dass man diese übersinnlichen Bewegungen seines wirklichen Ich im Kosmos auch wirklich als solche übersinnlichen Bewegungen wahrnimmt. Das hat Rudolf Steiner dann geschildert, und das ist dann der Inhalt der Anthroposophie.   

 

Man muss sich also unter diesem Denken mit dem Knochensystem

oder unter dem geschilderten Abtasten des inneren Menschen beim Lesen der „Philosophie der Freiheit“ nicht zu viel und nichts falsch Mystisches vorstellen. So wie Rudolf Steiner das den Lehrern erklärt, mit Blick auf das Dreieck, so ist es auch mit Blick auf die Ideen der „Philosophie der Freiheit“. Indem man sie fasst, indem man sie bilden kann, indem man sie nachdenken kann, tastet man sie schon ab in seinem Knochensystem oder in seinem ganzen Menschen. Und zwar nicht im Nervensystem, sondern im Knochensystem! Aber eben unbewusst. 

 

Aber bewusst denken muss man diese Ideen der „Philosophie der Freiheit“ schon. 

Man muss sie fassen und denken in der Art, wie man eben ein Dreieck innerlich fasst und denkt. So wie man ein Dreieck mit seinen verschiedenen Gesetzen –

also zum Beispiel warum die Winkelsumme in einem Dreieck immer 180° sein muss – Rudolf Steiner weist ja in seiner GA 2 S. 89 bereits auf dieses einfache, wunderschöne und leicht einzusehende Beispiel hin – 

vor dem inneren Auge haben kann, so kann man sich auch dazu erziehen, die Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ mit ihrem gesetzmäßigen Verbindungen zu anderen Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ vor dem inneren Auge zu haben. 

 

Dieses ganze Projekt bedeutet natürlich auch, 

dass man davon wegkommen muss, die „Philosophie der Freiheit“ mit dem Kopf, beziehungsweise mit dem Nervensystem zu denken. Die Denktechnik zu einem richtigen Lesen, Verstehen und Denken der „Philosophie der Freiheit“ liegt eben darin, dass man diese vielen Hilfen, die Rudolf Steiner zu einem richtigen Lesen seiner „Philosophie der Freiheit“ an vielen Stellen gegeben hat,   

und wovon diese geschilderte Sache mit dem Knochensystem nur eine ist. – Über manche der anderen Hilfestellungen habe ich immer mal hier auf Umkreis-Online geschrieben –

in der richtigen Weise gelernt umzusetzen. 

 

Wie ist also die „Philosophie der Freiheit“ aufzufassen, zu erleben? 

Natürlich so sachlich, knackig-knochig, nüchtern, abstrakt, klar, scharf umrissen, wie man auch geometrische Probleme auffassen sollte. Aber das sagt sich so leicht nach langen Jahren des Studiums. Das sagt sich ganz bestimmt nicht so einfach, wenn man dieses Studium der „Philosophie der Freiheit“ gerade eben erst begonnen hat. Man muss also Geduld mit sich haben. Und man sollte die verschiedenen Hilfestellungen, die Rudolf Steiner uns zu einem Verstehen seiner „Philosophie der Freiheit“ gegeben hat, nicht gering schätzen. Aber man muss immer etwas damit machen, man muss sie innerlich umsetzen. 

  

  

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