Gegenposition

 

von Ingo Hagel

 

Aber man kann zu dem hier Gesagten auch die Gegenposition einnehmen und belegen, dass die in diesem Film dargestellte Tendenz, nicht zu denken, sondern zu tun – 

Don’t think, just do! –

eine wahrhaft spirituelle und zukünftige Einstellung und Herangehensweise an die Welt darstellt. Ja, selbstverständlich, aber dazu muss man dann allerdings diese These, diese Handlungsanweisung aus dem Kriegsgeschehen des gewöhnlichen Alltagsbewusstseins und des gewöhnlichen Lebens und Berufslebens herausnehmen und spiritualisieren. Dazu muss man das Gleichgewicht der Waage zwischen Denken und Wollen mehr, viel mehr in Richtung Wollen justieren, das heißt aber in Richtung eines gewollten, willensgetragenen Denkens. Und dann – aber nur dann – könnte da mit 

Don’t think, just do! –

tatsächlich etwas sehr Zukünftiges gesagt worden sein. –

Aber so meinen die Amis das natürlich nicht. –

 

Das ist ja auch immer wieder das zugrundeliegende Thema in Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“: 

Höre doch mal eine kleine Weile auf – 

das sind jetzt meine Worte – 

mit dem ganzen sinn- und wesenlosen Rumgedenke des Kopfes – 

das kein einziges Welträtsel lösen wird, sondern immer nur noch mehr unlösbare Rätsel auftürmen wird – 

sondern lasse –

indem du zum Beispiel einen einzigen Satz aus der „Philosophie der Freiheit“ versuchst, in voller Konzentration und Ausschließlichkeit zu denken – 

das Denken Wille werden, so dass das sinnlichkeitsfreie Denken ein durch den Willen getragenes Denken wird. – 

Dann werden wir schon sehen, in welchem umfassenden Maße ein solches vom Willen getragenes Denken ein Erkenntnismittel werden wird. –

 

Rudolf Steiner sagte dazu einmal mit Blick auf seine „Philosophie der Freiheit“: 

Nehmen Sie also an, Sie könnten Gedanken im reinen Gedankenflusse haben. Dann beginnt für Sie der Moment, wo Sie das Denken bis zu einem Punkte geführt haben, an dem es gar nicht mehr Denken genannt zu werden braucht. Es ist im Handumdrehen – sagen wir im Denkumdrehen – etwas anderes geworden. Es ist nämlich dieses mit Recht «reines Denken» genannte Denken reiner Wille geworden; es ist durch und durch Wollen. Sind Sie im Seelischen so weit gekommen, dass Sie das Denken befreit haben von der äußeren Anschauung, dann ist es damit zugleich reiner Wille geworden. Sie schweben, wenn ich so sagen darf, mit Ihrem Seelischen im reinen Gedankenverlauf. Dieser reine Gedankenverlauf ist ein Willensverlauf. … –

  

„Handumdrehen … Denkumdrehen“ – das liest sich so leicht. – 

Der gütige Doktor war immer so voller Humor. Vielleicht auch, um uns über unser eigenes, verzweifeltes und deprimierendes Unvermögen hinwegzuhelfen … – 

Dabei kommt es aber darauf an, nichts zu denken, als was durch den eigenen Willen gewollt ist – und dieses dann mit dem Bewusstsein gleichzeitig zu überschauen. Das Denken wird dadurch ein Anschauen – 

von dem es dann allerdings mehrere Stufen und Realisierungen gibt. –

 

Im gewöhnlichen Bewusstsein schaut man dagegen nicht das Denken an, 

sondern das Objekt, über das man denkt: 

Den Grund, warum das Denken bei der Betrachtung der Dinge zumeist übersehen wird, haben wir bereits angegeben (vergleiche Seite 42 f.). Er liegt in dem Umstande, daß wir nur auf den Gegenstand, über den wir denken, nicht aber zugleich auf das Denken unsere Aufmerksamkeit richten.  (GA 4 S. 85)    

Im „ungewöhnlichen“ Bewusstsein, in dem also der eigene, sinnlichkeitsfreie Gedanke angeschaut wird, darf allerdings nichts von irgendetwas Äußerem, Sinnlichem oder sonstigem Gedankeninhalt mehr vorhanden sein. 

 

Wie immer mal wieder hier auf Umkreis-Online erwähnt, 

liest sich das in der „Philosophie der Freiheit“ im Zusatz zu deren dritten Kapitel so:    

… es kommt darauf an, dass nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. …

Das ist die rein gedankliche, rein philosophische Darstellung dessen, was Rudolf Steiner zu diesem Thema Denken und Wille immer wieder und an vielen Stellen ausgeführt hat. –

Don’t damn-kopf-think – just willens-do!

Würde dann vielleicht der so willenshafte Amerikaner sagen.

    

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