Zur Fantasie im Begriffsleben

 

von Ingo Hagel 

 

In einem Brief an Rosa Mayreder (GA 39 S. 254) bezieht sich Rudolf Steiner auf das Vorwort seiner „Philosophie der Freiheit“ (in der Erstausgabe 1894): 

Sollen die logischen Begriffshülsen nicht leer bleiben, so muß die Phantasie sie ausfüllen. Ich habe dies in meiner «Philosophie der Freiheit» … mit den Worten gesagt: 

«Im Komponieren (in der Musik) dienen die Gesetze der Kompositionslehre dem Leben, der realen Wirklichkeit. Genau in demselben Sinne ist die Philosophie eine Kunst. Alle wirklichen Philosophen waren Begriffskünstler. Für sie wurden die menschlichen Ideen zum Kunstmateriale und die wissenschaftliche Methode zur künstlerischen Technik. Das abstrakte Denken gewinnt dadurch konkretes, individuelles Leben.»   (siehe auch GA 4, Neuausgabe 1918, S. 254) 

 

Heißt das: Ohne die Fantasie, ohne die moralische Fantasie, 

bleibt auch die „Philosophie der Freiheit“ nur eine Reihe von „logischen Begriffshülsen„? 

Es heißt aber auf jeden Fall, dass man zum „Leben„, zum „individuellen Leben“ oder zum „Leben“ der „Philosophie der Freiheit“ nur über die Fantasie und über die moralische Fantasie kommt – und über die Begriffskunst. Dazu muss man aber erst einmal über die „Philosophie der Freiheit“ als „logische Begriffshülsen“ hinauskommen –

was die „Philosophie der Freiheit“ selbstverständlich nicht ist, aber man kann sie dazu machen, das liegt dann aber nicht an der „Philosophie der Freiheit“, sondern an einem selbst und der eigenen ersteinmal nur intellektuellen Auffassungsmöglichkeit dieses Werkes. – 

Das heißt auch, man muss über das bloße logische Verstehen der „Philosophie der Freiheit“ hinauskommen.

Man muss darüber hinaus kommen, sie nur mehr oder weniger mit dem Kopf lesen zu können, 

um ihr Begriffsleben in die Sphäre der künstlerischen Fantasie hineinzubekommen. 

Aber ich sage hier ja auch immer, dass man zu Beginn dieses Weges und Studiums der „Philosophie der Freiheit“ ersteinmal nur diesen Kopf hat. –   

Das heißt, dass man, um zur philosophischen Fantasie der „Philosophie der Freiheit“ beziehungsweise deren moralischer Fantasie zu kommen, das philosophische Kunstmaterial der „Philosophie der Freiheit“, deren Ideen so sicher in die Hand bekommen muss, wie ein Künstler Farben, Töne und so weiter in der Hand hat und zu handhaben weiß, um damit zu komponieren. 

 

Die Begriffe dürfen also nicht nur Begriffe bleiben, 

an denen man sich so gerade eben mit seinem Kopf festkrallen kann, sondern man muss an ihnen etwas empfinden können.

In der „Philosophie der Freiheit“ (S. 110) heißt das mit Blick auf das Leben, das die Begriffe durch das Gefühl erhalten können, so: 

Eine wahrhafte Individualität wird derjenige sein, der am weitesten hinaufreicht mit seinen Gefühlen in die Region des Ideellen. 

   

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