Winter – Ein feines Herrchen – Abschied

 

von Stella Hagel

 

Winter

Es ist Dezember und mal wieder Regenwetter. Die Kinder ziehen sich an um hinauszugehen. Dabei singt Thomas (fünf Jahre alt) laut und durchdringend: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind Deine Blätter. Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter wenn es regnet.“ Die Praktikantin korrigiert ihn freundlich: „Schneit heißt das, Thomas.“ „Nein, regnet!“, meint der prompt und nachdrücklich, und ungerührt wird das Lied zu Ende geschmettert.

Ein feines Herrchen 

Morgens komme ich in den Kindergarten. Benjamin, (fünf Jahre), ist an diesem Tag besonders fein angezogen. Seine gute blaue Hose sieht wie eine richtige Anzugshose aus, dazu ein feines weißes Hemd und eine kleine Fliege. „Benjamin“, wundere ich mich, „wieso hast Du dich denn so fein gemacht?“ Schwer seufzt Benjamin da auf: „Geschäftsreise – schrecklich!“ 

Abschied 

Benjamin muss leider von unserem Kindergarten in einen anderen wechseln. Ich treffe ihn im Flur und er bittet mich, ihm noch ein Sternchen zum Abschied schenken. Ich lege den Kindern manchmal zum Abschied nach der Eurythmie ein Sternchen in ihre Schalen. Das Sternchen ist ein mit den kleinen Fingern gekreuztes eurythmisches „E“, und die Kinder formen mit ihren Händen die Schalen. Ich lege also Benjamin einen Stern in seine zur Schale geöffneten Hände und frage: „Behältst Du den in Deinem Herzen?“ Ernst und innig schaut er mich mit seinen großen blauen Augen an und meint: „Ja, für immer.“