Und noch etwas ist ganz anders geworden 

 

von Stella Hagel

 

Sophia, die sich früher mokierte über die Anthroposophen, hat sich seit einiger Zeit entschlossen, an einer anthroposophischen Ausbildungsstätte, von deren Konzept sie sehr begeistert ist, eine heilpädagogische Ausbildung zu machen. Vorher machte sie aber noch ein Praktikum in einem heilpädagogischen Heim in Neuseeland. Noch vorausschicken möchte ich, dass Sophia mir über viele Jahre bei jeder Begegnung vorgeworfen hatte, wie ich sie einst, als sie klein gewesen war, einmal gezwungen hätte, eine Wolljacke anzuziehen. Das war mein Staatsverbrechen gegen sie und wurde immer wieder neu aufgewärmt. Meine Argumente, dass ich mich für ihre Gesundheit verantwortlich gefühlt hatte, und dass es sehr kalt gewesen sei an jenem Tag, wurden immer ärgerlich hinweggefegt. Nun also ist sie weit fort im fernen Neuseeland, und ich habe ein Gespräch mit ihr am Telefon. Ihre Stimme klingt müde und deprimiert, als sie mir von einem achtjährigen Mädchen erzählt, für dessen Betreuung sie verantwortlich ist. „Weißt Du“, berichtet sie, „es ist schön hier, aber auch manchmal anstrengend, da wir hier nicht alle die gleichen Vorstellungen von Erziehung haben. Zum Beispiel habe ich mich so bemüht, meinem Mädchen anzugewöhnen, eine warme Jacke anzuziehen, wenn es draußen kalt ist. Das kostete mich viel Kraft, weil sie sich so dagegen sträubte. Und dann, nachdem sie es endlich von sich aus tat, hatte ich meinen freien Tag, und als ich zurückkam, konnte ich mit allem von vorne beginnen, weil meine Kollegen sie wieder nur mit einem dünnen Pulli bekleidet in die Kälte rausgeschickt haben.“ 

Wie gerne hätte ich Sophia in die Arme genommen und getröstet, vor Mitgefühl, aber auch vor Dankbarkeit und wieder einmal neu gewonnenem Vertrauen, dass sich alles wandelt.