Heiligenschein

 

von Stella Hagel

 

Ich erinnere mich noch sehr genau, wie mein Schwesterchen geboren wurde. Ich war zweieinhalb Jahre alt, und mein Vater ging mit mir ins Krankenhaus, wo ich das Baby aber nur durch ein Glasfenster sehen durfte. Aus der Sicht meiner zweieinhalb Jahre konnte ich überhaupt nicht verstehen, wie das Baby hinter das Glas gekommen war. Wie ich noch drüber nachgrübelte und mich sorgte, sah ich etwas, was mir einleuchtend erschien und freute mich darüber. Zu Hause hingen Bilder mit der heiligen Maria und Bilder mit heiligen Engeln. Dass sie heilig waren, wusste ich, weil sie über dem Kopf ein zartes schwebendes Tellerchen hatten, das, wie ich gelernt hatte, ein Heiligenschein ist. Nun waren im Krankenhaus viele Krankenschwestern, die dort geschäftig hin und her liefen. Auf dem Kopf trugen sie ein kleines weißes Häubchen: „Schau mal Vati,“ rief ich freudig, „die Schwestern tragen einen Krankenschein.“