Unsere Taufen 

 

von Stella Hagel

 

Während meiner eigenen Taufe in der Christengemeinschaft schrie ich von Anfang bis Ende durch. Dies war für mich etwas Besonderes, so erzählte man mir, denn ich schrie sonst kaum. Aber zu ganz besonderen Anlässen, so kann ich mich an einige selbst erinnern, schrie ich dafür mörderisch. Das zweite laute Geschrei machte ich bei der Taufe meiner zweieinhalb Jahre jüngeren Schwester. Ich kann mich an diese Taufe, bei der ich wirklich erst zweieinhalb Jahre alt war, selbst erinnern. Meine Schwester schlief selig und süß die ganze Taufe hindurch. Ich aber schrie erbärmlich! Große Angst hatte mich erfasst, das erinnere ich noch sehr gut. Nur, was mich so erschreckte, kann ich nicht erinnern. Jedenfalls musste die Großmutter mit mir den Raum verlassen. Ich spürte, sie war besorgt aber auch nicht sehr erbaut über mein Benehmen. Nach der Taufe, als alle noch beisammen standen, ich mich aber noch ängstlich im Arm meiner Oma versteckte, kam der Pfarrer, dazu. Meine Großmutter reichte mich dem Pfarrer mit den Worten: „Hier ist das Kind, das so ein Geschrei gemacht hat.“ Mich packte erneut großes Entsetzen, als man mich einfach dem fremden Mann übergeben wollte. Dieser aber lächelte gütig und nahm mich – Gottseidank – nicht an. „Die Kleine hat ganz recht, dass sie geschrieen hat“, sagte er, „so ein kleines Kind muss noch gar nicht in dem Kultraum sein.“ 

Heute glaube ich, es war gut, dass er mir erlaubte, in diesem Raum und im Anblick des Priesters Angst zu haben, und mich zu wehren. Ich fühle noch genau meine Erleichterung, als er dies so gütig sagte. Inzwischen habe ich aber erlebt, dass Menschen aus der Taufgemeinde sogar Eltern mit kleinen Kindern rausgeschickt haben, wenn sie unruhig wurden. Das scheint mir trotz meines eigenen Erlebnisses nicht richtig zu sein. Bei meinen Neffen und Nichten gab es bis auf eine lustige Geschichte nie Probleme. Es war eher so, dass sie Taufen ganz besonders liebten und zuhause nachspielten. 

Mein Bruder schrie nur am Anfang und noch vor der eigentlichen Taufe. Eine Flötistin spielte wunderbare Musik, und mit dem ersten langen Ton entschwebte er in himmlische Sphären, und die Taufe begann in tiefer Stille. Als dann die Priesterin den Täufling mit dem Wasser berührte, wachte er auf und schaute diese so wach und forschend an, dass sie fast ihren Text vergaß.