Rudolf Steiner: 1. Weltkrieg kein Krieg im alten Sinne, sondern Aufwogen der sozialen Kämpfe

 

Aus Nr. 185a der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 108:

Dasjenige, wovon ich in diesen Betrachtungen ausgegangen bin: von der Notwendigkeit, die in den Tatsachen der Welt wirkende Wahrheit zu empfinden — ich könnte auch sagen, die wirkende Vernunft oder den wirkenden Geist zu empfinden -, das muss ja ganz besonders Anwendung finden in dem Verständnis, das man sich nun einmal erwerben muss im Zeitalter der Bewusstseinsseele, in dem Verständnis dieses katastrophalen Ereignisses, in dem wir drinnenstehen. Denn im Grunde genommen ist dieses Ereignis ausgegangen von, man möchte sagen, einem Schein, in dem die Menschen gelebt haben. Ich habe es Ihnen nach den verschiedensten Richtungen angedeutet; das könnte weiter ausgeführt werden. Allein Sie haben schon gesehen, dass die Menschen, die beteiligt waren an dem Ausbruche, an dem letzten Ausbruche dieses katastrophalen Ereignisses, sich eigentlich in Scheinen bewegten, dass sie voll waren von Phantasmen und Illusionen, dass sie weit entfernt waren, in der Wirklichkeit drinnenzustehen. Doch muss man sagen, dass im Laufe der Jahre eigentlich immer mehr und mehr aus dem, was man falsch benannt hat, weil man eben in Illusionen und Scheinen lebte, aus dem, worüber man falsch geschimpft hat, weil man in Illusionen und Scheinen lebte, sich allmählich, langsam entwickelte dasjenige, was die Wahrheit der Sache selbst enthielt. Das ist bis jetzt zum Teil schon herausgekommen und wird im Laufe der nächsten Jahre noch mehr herauskommen. Dass es sich nicht handelte um einen Krieg im alten Sinne zwischen einer Mächtegruppe und der anderen Mächtegruppe, der in einem gewöhnlichen Sinne auch durch einen Friedensschluss beendet werden kann, darauf habe ich ja schon öfter hingewiesen; dass es sich vielmehr handelte um dasjenige, was als Aufwogen in den sozialen Kämpfen sich abspielen wird, was die verschiedensten Formen annehmen wird. Dass das, was allmählich als Wahrheit hervortreten wird: die sozialen Kämpfe, dass dieses, ich möchte sagen, ergriffen hat den an der Oberfläche schwimmenden Schein, sich zunächst auslebt ganz in dem an der Oberfläche schwimmenden Schein, in den Illusionen und Phantasmen, die Taten geworden sind, ist dasjenige, was man ins Auge fassen soll. Und ins Auge fassen soll man, was nun eigentlich lebt in den letzten Konflikten der Gegenwart, was sich in diesen Konflikten der Gegenwart eigentlich in Wirklichkeit verbirgt. Man kann es nicht, ohne dass man immer wieder und wiederum hinweist darauf, wie das Denken und Vorstellen der Menschen, selbst die ganze Lebensauffassung, sich entfernt hat von etwas, was Menschen notwendig ist mit Bezug auf das Weltverständnis, was aber gerade unter dem Einfluss der neueren Entwickelung der Menschheit verlorengegangen ist. Unsere Geisteswissenschaft hat ja im eminentesten Sinne die Aufgabe, auf dieses Verlorene im modernen Sinne wiederum zurückzugreifen und es dem Menschen, dem es so notwendig wird in der Gegenwart und gegen die Zukunft hin, wiederum nahezubringen. 

 

 

 

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