von Ingo Hagel
Wie viele Blätter des dürren deutschen Pressewaldes vermelden, startet Sahra Wagenknecht die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ und hat nun auch eine Homepage am Netz.
Das Positive daran ist, das diese Sammlungsbewegung es – bis jetzt – vermeidet, als Partei aufzutreten.
Nun wollen wir mal abwarten, denn es kann ja durchaus sein, dass die verschiedenen Teilnehmer dieser Sammlungsbewegung Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine – die vielleicht bis dahin wirklich keine neue Partei im Sinn hatten – auf Knien anflehen werden, doch bitte, bitte eine neue Partei zu gründen, weil, wie die Erfahrung jeden Tag zeigt, das Völkchen überhaupt nicht anders als in den seit Jahrhunderten eingefressenen Bahnen von Parteien des alten Einheitsstaates denken kann. Vielleicht werden Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine sich dann breitschlagen lassen – natürlich nur zum Wohle Deutschlands, versteht sich. Wir werden sehen.
Das Negative an dieser Sammlungsbewegung ist, dass diese so derart ohne einen gemeinsamen geistigen Kern,
ohne eine gemeinsame geistige soziale Perspektive auftretende Bewegung in ihrer Vereinzelung der Statements und Forderungen der einzelnen Teilnehmer nicht mehr zu werden droht als ein großer Stammtisch – das heißt als ein als Homepage verkleideter großer medialer Blitzableiter, der die hier in Deutschland vorhandenen vielen negativen überschüssigen Energien sammelt und schadlos in den Erdgrund ableitet. Schöner und praktischer hatten sich das die hier herrschenden „Eliten“ –
ich schreibe diese ja immer in Anführungszeichen –
und Parteien nicht ausdenken können. Was sich früher an den vielen kleinen Stammtischen schimpfend entladen –
und beruhigt hat, um vor der Wahlurne wieder geeinigt zu werden, –
darf sich nun mit mehr oder weniger humanistisch, gebildet, aufgeklärt usw. sich dünkenden, also insgesamt den Anforderungen der Zeit nicht angepassten, das heißt aus ihr herausgerückten, also ver-rückten –
weil zwar gut gemeinten aber in dieser Art nicht erfüllbaren –
Statements auf dieser großen Plattform entladen.
Da fordert zum Beispiel Marie, „Redakteurin“:
„Kein Kind sollte in Armut auswachsen.“
Nach prima. Genauso gut und berechtigt könnte man fordern, dass es keine Kriege mehr in der Welt geben sollte, dass Paare sich nicht mehr scheiden lassen sollten, und dass Jeder mindestens einen IQ von 110 haben sollte.
Thomas, Unternehmer meint:
„Managergehälter in Millionenhöhe finde ich zum kotzen.“
Thomas der Unternehmer dürfte sicher all den „armen Kindern“, Niedriglöhnern, Hartz IVlern, Flaschensammlern und so weiter hier in Deutschland, die bei der Festsetzung ihrer ausbeuterischen Gehälter in grober Weise vernachlässigt worden sind, aus der Seele sprechen. Und da Thomas, der Unternehmer, auf dieser Aufstehen-Homepage dem Leser nichts anderes anbietet als das gewöhnliche soziale Stammtisch-Unwohlsein, darf man vermuten, dass auch keine anderen als die gewöhnlichen sozialistischen Forderungen hinter seinen Worten stehen, nämlich alles, was einem nicht passt, von oben einfach zu ver- oder zu gebieten.
Nun bin ich mit Thomas, dem Unternehmer, durchaus mit Blick auf die Unanständigkeit und Unverschämtheit vieler Managergehälter einer Meinung.
Aber die Frage liegt wie immer nicht im „Was“, sondern im „Wie“. Haben die armen Betrogenen denn protestiert in den letzten Jahrzehnten? Oder haben sie sich willig und gefügig erklärt, weil man ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg von oben nicht unerhebliche Häppchen des Wohlstands und des Besitzes in den Zwinger von gut-und-gerne-Deutschland hineingeworfen hat, die den einstigen beißwütigen proletarischen Köter des vor-/wilhelminischen Zeitalters in der Fress- und Wohlstandswelle der Nachkriegszeit haben verfetten und intellektuell einschlafen lassen? Übriggeblieben ist nur das grollend-dumpfe – und teilweise selbstverständlich berechtigte – Gefühl, irgendwie benachteiligt zu sein. Für die Frage einer ungerechten Verteilung der Gehälter braucht es in Deutschland wohl kaum eine Sammlungsbewegung. Letztere braucht es aber sehr wohl für das Schaffen eines angemessenen geistigen Verständnisses, ohne welches aus dieser Angelegenheit nicht herauszukommen ist. Und dieses Verständnis besteht darin zu erkennen, dass es sich bei der Arbeit um ein Recht, ein Menschenrecht handelt. Waren werden auf dem Markt gehandelt. Menschliche Arbeit darf niemals auf dem Arbeitsmarkt gehandelt werden.
Rechte dürfen aber niemals innerhalb des Wirtschaftslebens selber verhandelt werden, sondern nur auf dem Gebiet des Rechtslebens.
Zu fordern ist also die Herauslösung dieser ganzen Lohnfrage und diese ganzen Lohnverhandlungen heraus aus dem Gebiet des Wirtschaftslebens in das Gebiet des Rechtslebens hinein. Zu fordern ist also die Auflösung dieses alten Einheitsstaates in die beiden voneinander relativ unabhängigen und souveränen Bereiche des Wirtschaftslebens und des Rechtslebens (Politik).
Zu fordern ist daneben natürlich ein wirkliches freies Geistesleben, also zum Beispiel die Unabhängigkeit der Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten von jeder Gängelung von oben. Zu fordern ist also das, was Rudolf Steiner damals als Soziale Dreigliederung impulsiert hat, und was bis heute auf Verständnis durch die Menschen und eine Realisierung wartet (mehr zur Sozialen Dreigliederung zum Beispiel hier und hier und hier – sowie an vielen anderen Stellen auf Umkreis-Online).
Zu fordern ist also, dass sich alle Mitarbeiter eines Unternehmens –
also nicht nur oben erwähnte Manager, sondern auch dessen Arbeiter und Angestellte –
auf diesem Gebiete des Rechtslebens begegnen und über die Verteilung des gemeinsam in der Firma erwirtschafteten Erlöses verhandeln.
Wer soziale Gerechtigkeit will, darf nicht nur mit gut gemeinten aber zahnlosen Forderungen kommen, sondern sollte die Gesichtspunkte im Auge haben, unter denen allein Gerechtigkeit zu verwirklichen ist.
Diesbezüglich habe ich am Ende dieses Artikels einfach noch einmal verschiedene Rubriken hier auf Umkreis-Online zu dieser Thematik angeführt.
Die Verhältnisse zeigen, dass wir heute von einem Verständnis dieser Gesichtspunkte weit entfernt sind.
Zu den Symptomen dieser Verhältnisse gehört leider auch das, was sich nun als diese von Sahra Wagenknecht initiierte sogenannte Sammlungsbewegung im Netz darstellt. Ich hätte gehofft, dass, wenn nun schon mal die klügste Politikerin der Linken diesen gesellschaftlichen Paukensschlag als Homepage vor die Öffentlichkeit bringt, dann doch wirklich etwas hätte zu sehen sein mögen, was die Menschen zu der so nötigen inneren geistigen Sammlung hätte bewegen können. Ich hätte gehofft, dass nicht wahllos alles mögliche Wirre, Unvollständige und Unsortierte auf diese Homepage gepflanzt worden wäre, sondern die Perlen des geistigen Strebens, die Hoffnung auf einen wirklichen fruchtbaren Aufbruch hätten vermitteln können. So bleibt es bei einem bloßen Aufstehen der Nichtigkeiten des sich immer weiter im Niedergang befindenden Bürgertums, das genauso dekadent ist wie deren führende Klasse, die es am Nasenring durch die Manege führt.
Und alle eint die Überschrift: DEN BÜRGERINNEN UND BÜRGERN MUSS ZUGEHÖRT WERDEN!
Was der User nicht findet, ist die Bewegung und auch nicht die Bewegten. Denn dem Aufstehen muss das Widersetzen folgen. Damit die Herrschenden sich nicht einfach wieder bequem setzen können, müssen sich die da unten nachdrücklich selbst auf die Tagesordnung setzen.
Nun gut, sie stehen nun vielleicht auf, die Bürgerinnen und Bürger, und widersetzen sich. Sie werden gesammelt und ihrer Empörung wird eine Stimme gegeben. Vielleicht setzen Sie sich ja wirklich „nachdrücklich selbst auf die Tagesordnung“, wie der verdienstvolle Uli Gellermann oben schreibt. Aber das bringt nicht weiter, denn was nützt es, wenn man sich selbst, seine Empörung, seinen Protest auf die Tagesordnung setzt, anstatt konkrete geistige, soziale, politische, wirtschaftliche Forderungen?
Nichts braucht das Land mehr als Aufstehen:
Aufstehen gegen Wohnungsnot. Aufstehen gegen Aufrüstung. Aufstehen gegen Armut. Aufstehen für Gerechtigkeit. Ändern müsste sich das Land, das in seltsam hektischem Siechtum seinem inneren Zerfall entgegensteuert.
Na klar. – Aber was hätte es bedeutet, wenn die großen Blogbetreiber, die hier in Deutschland verdienstvolle und aufklärende Homepages der unabhängigen Medien des Internets betreiben, und auf die so Viele hören, ihr Gewicht und ihren Einfluss in den letzten Jahrzehnten gegen diesen Zerfall und für die Soziale Dreigliederung in den Ring geworfen hätten! Was hätte es bedeutet, wenn Sahra Wagenknecht, die im Fernsehen viel Herumgereichte, Befragte, nicht nur einen Sinn für Goethe, sondern auch einen solchen für Rudolf Steiner und dessen Soziale Dreigliederung entwickelt hätte! Aber selbst die Klügsten der „Klugen“ haben keinen Sinn dafür, und die Blogger verheddern sich in der detektivischen Aufdeckung von Korruption und Missständen usw. – was ja alles verdienstvoll ist – aber versäumen die großen Perspektiven und wirklich heilsamen Forderungen.
Daher müssen die Unterdrückten und Verelendeten immer weiter in dem dekadenten Unsinn versumpfen, den sie von oben eingetrichtert bekommen, anstatt dass diesen von sehr viel mehr Homepages, als es sie heute schon vereinzelt gibt, diese so dringend benötigten Hilfestellungen und Ausführungen zu diesem zukunftsentscheidenden Thema einer Dreigliederung des sozialen Organismus gegeben werden könnten.
Vielleicht wird es also aufgrund dieses geistigen Vakuums irgendwann Bürgerkrieg
und Revolutionen geben, Zusammenbrüche, weil sich dieses ganze elende europäische soziale Konstrukt selbst ad absurdum führen wird und – weil viel zu Wenige für wirkliche Lösungen dieser sozialen Frage ein Verständnis entwickelt haben und für dieses rechtzeitig aufgestanden sind.
Es wird also, wie ich es immer mal hier auf Umkreis-Online ausgeführt habe, darauf hinauslaufen, dass bei den Menschen überhaupt erst ein neuer Sinn für das geschaffen werden muss, was als Soziale Dreigliederung in die Welt möchte. Nicht die Einsicht, sondern der Schmerz, die Not und die Gewalt der fürchterlichen Ereignisse werden die Lehrmeister dazu sein.
Nachfolgend also – wie oben angekündigt und in alphabetischer Folge –
aus der Schlagwortleiste von Umkreis-Online einige wenige ausgewählte Rubriken zu diesem Thema:
Arbeit darf keine Ware mehr sein
Arbeitsvertrag ein kaschiertes Lügenverhältnis
Dekadenz der führenden Klasse / Grundsatzartikel
Geldfragen gehören ins Wirtschaftsleben
Soziale Dreigliederung unbewusstes Wollen der europäischen Menschheit
Staat ist kein Wirtschaftsunternehmen
Trennung von Arbeit und Einkommen
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