Auf der Jagd nach dem Glück

 

von Ingo Hagel 

 

Das Leben schreibt vielleicht nicht die besten Geschichten, aber es illustriert manchmal die besten Bücher.

Gerade eben stand ich noch in der langen Schlange (rund 15 nicht sehr zufriedene aber in die Situation ergebene Konsumenten) vor der Kasse meines bevorzugten Supermarktes. Die Niedriglohnkulis hatten zwar bereits zwei Kassen geöffnet, aber eine dritte hätte locker den Ansturm der Kunden –

nach dem Feiertag des sich von der Erde in den weiteren Umkreis derselben entfernenden Herrn –

mit aufsaugen können. Der dritte Lohnkuli sprang irgendwo zwischen den Regalen und im Lager herum und hatte wohl den strikten Auftrag, sich nicht um die Bedienung der dritten Kasse zu kümmern. Hinter mir am Ende der 15-konsumentigen Warteschlange rief eine Dame, man solle doch eine neue Kasse aufmachen. Ihre Stimme war etwas dünn, was wohl auch ein smarter Herr mit Führungserfahrung (Motivieren – Delegieren – Kontrollieren) sehr viel weiter vorne in der langen Schlange in Richtung der Zahlstellen gemerkt hatte. Er drehte sich um 180° um und gab der Dame den freundschaftlichen Hinweis, sie müsste lauter rufen. Offensichtlich war er mit dem Anlegen der Dame einverstanden, wollte aber nicht selber der Überbringer deren Forderung sein, denn sonst wäre es ihm ein Leichtes gewesen, mit seiner kräftigen Stimme, die sich zudem sehr nahe bei den Kassen befand, diese Order noch einmal nach vorne weiterzugeben.

Ich dachte an die diversen geistigen, wirtschaftlichen und so weiter Probleme hier in Bad Deutschburg und an die Schwierigkeiten deren Verwirklichung aufgrund der doch sehr speziellen Konstitution der Teilnehmer des sozio-kulturellen Prozesses. 

Mein Weg zur nächsten Einkaufs-Kultstätte führte mich dann an den monströsen Reklametafeln vorbei, 

die in der Fußgängerzone fest hinter Glasscheiben installiert sich mit ihren nackten Brüsten hastig wechselnder Plakate den Passanten prostituierten.

„Wir kaufen uns glücklich“ juchzte es mir von dort entgegen. Da ich mich nicht zu dieser Wir-Gruppe zugehörig fühle, fuhr ich an dieser Installation –

könnte das nicht auch moderne Kunst sein? Mysterien vielleicht nicht am Bahnhof, aber in der Fußgängerzone?) –

vorbei, um mein Fahrrad aber dann doch zu einer scharfen Schleife zu veranlassen und zu ihr zurückzukehren, da sie mich an andere Dinge erinnert hatte, mit denen ich mich immer wieder beschäftige – und weswegen ich doch ein Foto machen wollte. Weil: Die Leute glauben einem die ganzen selbst erlebten Abenteuer sonst ja nicht.

Ich konnte den Aufnahme-Knopf auf meinem Smartphone nicht drücken, weil ich erst die verschiedenen Werbeplakate, die dort auf großen Stoffbahnen aufgeklebt waren, im Abstand von vielleicht zwei Sekunden an mir vorbeirattern lassen musste. Dabei machten diese elektrisch betriebenen Stoffbahnen dieses typische monoton-eiernde Geräusch jener altmodischen Tuchjalousien, die es vor 50 Jahren noch zuhauf gab, und die mir in ihrer bekannten schlabberigen Formlosigkeit rückblickend mich an etwas durchaus Treffendes in dieser Zeit erinnerten.

Eierndes Geräusch – Falsche Reklame – Warten – Wieder eierndes Geräusch – Wieder falsche Reklame – Warten – Noch einmal eierndes Geräusch – Richtige Reklame – Auslöser!

Ich dachte daran, wie wohl sehr viele Kreise gemeinsam im engen Schulterschluss an der immer weitergehenden Verblödung des gut-und-gerne-Deutschlands (siehe dazu auch hier) arbeiten.

Ich dachte auch daran, was Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit mit Blick auf die ethischen Pessimisten 

zu deren Jagd nach dem Glück –

die sie den Menschen abgewöhnen wollten, damit dieser dann endlich seine wahrhaft sittlichen Aufgaben erfüllen konnte –

gesagt hatte:

Die pessimistische Ethik glaubt dem Menschen die Jagd nach dem Glücke als eine unmögliche hinstellen zu müssen, damit er sich seinen eigentlichen sittlichen Aufgaben widme. Aber diese sittlichen Aufgaben sind nichts anderes als die konkreten natürlichen und geistigen Triebe; und die Befriedigung derselben wird angestrebt trotz der Unlust, die dabei abfällt. Die Jagd nach dem Glücke, die der Pessimismus ausrotten will, ist also gar nicht vorhanden. Die Aufgaben aber, die der Mensch zu vollbringen hat, vollbringt er, weil er sie kraft seines Wesens, wenn er ihr Wesen wirklich erkannt hat, vollbringen will. 

Aber natürlich geht es in der Philosophie der Freiheit auch und besonders um die geistigen Triebe.

Auch dachte ich mit Blick auf das ganze Glücks-Shoppen und was damit sonst noch zusammenhängt an die Worte Rudolf Steiners, dass die ideellen Grundlagen für ein materialistisches Paradies auf Erden schon seit langem von einem –

vielleicht nicht hell, aber doch wenigstens finster –

erleuchteten Kopf gelegt werden mussten, der

benutzt werden musste von der geistigen Welt, um zu inaugurieren auch in praktischer Beziehung dasjenige, was gewissermaßen wie ein materialistisches Paradies auf Erden erscheint.  

 

Der weitere Weg führte mich dann zu einem meiner „local organic dealer“.  

 

 

Auf dem Hintergrund meines kafkaesken Warteschlangen-Erlebnisses und meiner besonderen Zuwendung an das Glücks-Plakat war ich noch einmal und besonders überrascht von der dortigen überhaupt nicht glücklichen Stimmung –

der man allerdings auch so vielen anderen Stellen unseres heutigen quirligen, lustigen und so glücklichen Lebens begegnet.

Nicht, dass diese dort etwas Ungewöhnliches ist, aber sie stach dann doch noch einmal aufgrund meiner oben dargelegten Erlebnisse und Gedanken hervor. Ich erkläre mir diese spezielle Stimmung – betrifft Kundschaft sowie Bedienung – in vielen dieser Bio-Discounter-Filialen immer damit, dass die dort einkaufenden Leute doch eigentlich von diesem ganzen untergeschobenen Öko-Glücklich-Eso-Lifestyle-Tandaradei gar nichts wissen wollen, und einfach nur gut und gerne essen wollen, ohne dass sie sich dabei gleich vergiften. Und ich erkläre sie mir damit, dass die dort in diesen Öko-Konsumstempeln arbeitenden Mannschaften so ihre ganz persönlichen und tieferen Einblicke in die Hintergründe dieses Öko-Business haben.

Einigermaßen nachdenklich kann ich von meiner Schnitzeljagd nach den diversen Gütern des täglichen Bedarfs wieder zu Hause an.

 

 

 

 

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