Rudolf Steiner zu den drei zerstörerischen Elementen der modernen Menschheitsentwickelung 

 

Aus Nr. 181 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 403:

Auf eine noch höhere Weise wird der Osten Europas in seinem Volkstum mit dem Geistigen zusammenhängen und eine noch höhere Kultur in geistiger Beziehung entwickeln – ein Gegenschlag gegenüber dem, was sich eben jetzt aus den angegebenen Gründen ausbildet. Aber das ist Sache der Zukunft, ist heute noch nicht vorhanden, ist noch im Animalischen beschlossen, aus dem es sich erst herausentwickeln muss. 

Durchaus wie in rechter Erbschaft aus dem Alten hängen die westlichen Länder Europas mit dem vierten nachatlantischen Zeiträume zusammen. Etwas, was neuer ist, aber was entgegengesetzt ist dem Amerikanismus, liegt schon im deutschen Wesen: eine gewisse Beziehung zur geistigen Welt, die innerhalb des Geistigen selbst gesucht wird. Der deutsche Mensch hat, wenn er seiner ureigenen Natur folgt, nicht Furcht vor dem Geistigen, sondern jene Hinneigung zum Geistigen, die wir zum Beispiel im Goetheanismus typisch, wenn auch auf höherer Stufe, ausgeprägt finden. 

Wenn man solche Dinge sagt, muss man sie freilich radikal aussprechen. Aber Sie wissen, nicht aus Chauvinismus, sondern aus der Erkenntnis heraus werden solche Sachen hier angeführt. Es ist wahrhaftig nicht gesagt, um irgend jemand heute zuliebe zu reden. Sie haben das letzte Mal gesehen, dass ich auch verstehe, nicht zuliebe zu reden. Aber das eine muss doch gesagt werden: Innerhalb dessen, was in Mitteleuropa vielfach vergessen ist, was aber doch deutsches Wesen ist, liegt eine Beziehung des Menschengeistes zur übersinnlichen Welt veranlagt, die ausgebildet werden muss, die das volle Gegenteil ist von allem übrigen, was sich auf der Erde heute zeigt. Oh, würden wir das anerkennen, würden nicht die letzten Jahrzehnte leider eher den Amerikanismus auf diesem Gebiete gebracht haben und das Russentum, so würde sich der Betrieb der Wissenschaft in Mitteleuropa in anderer Weise entwickelt haben. Sie wissen aus meinen andern Ausführungen, eine wie geistige, wie spirituelle Wissenschaft aus dem Goetheanismus hätte werden können. Aber der Goetheanismus blieb auch eine jenseitige Strömung. Ist er eigentlich erfasst worden? Bis jetzt nicht. Aber er ist das richtige deutsche Wesen in allem, was ihm zugrunde liegt. Dieses Wesen ist, wie Sie aus der heutigen Charakteristik sehen können, fremd den andern. Die andern sind sehr, sehr verquickt mit den Erbstücken und mit dem Neuen. Nur in diesem Mitteleuropa hat sich etwas entwickelt, was mehr oder weniger sich herausgeschält hat aus den Erbstücken und aus dem Neuen. 

Wie der Goetheanismus unberührt bleibt von der materialistischen Wissenschaft – man lobt selbstverständlich Goethe, aber man macht, wie ich gesagt habe, den ehemaligen Finanzminister Kreuzwendedich mit Vornamen, zum Präsidenten der Goethe-Gesellschaft -, das kann man an mancherlei Dingen sehen. Man wird gerade das, was in diesem eigentlichen inneren Element des Deutschtums vorhanden ist, auf den andern Gebieten wie einen fortwährenden Vorwurf empfinden müssen; denn man rettet sich am besten gegen dasjenige, was man durch seine Natur nicht anerkennen kann, indem man es verlästert. Dem muss man rückhaltlos ins Auge schauen. Was als ein lebendiger Vorwurf da ist, demgegenüber ist es am besten, man stellt es als Verbrechertum hin. Dadurch rettet man sich subjektiv vor der Tatsache, dass es wie ein Vorwurf da ist. Man berührt damit eine wichtige psychologische Tatsache. Die Verlästerung wird immer weiter und weiter gehen, aber sie wird ihre Gründe darin haben, dass es unbehaglich ist, dass diese sonderbare Stellung dieses Ich zum Geistigen vorhanden ist. Aber die Notwendigkeit ist da, auf diesen Gebieten klar zu sehen, das klare Sehen nicht zu fliehen, wie es gemacht wird. Würden wir nicht selbst so viel Philistertum, so viel Amerikanismus in uns haben, so würden wir es einsehen, dass dies zwei Gegenpole sind: deutscher Goetheanismus und Amerikanismus, und wir würden dann wissen, dass wir uns zu den Strömungen der Gegenwart nur dann in der richtigen Weise verhalten können, wenn wir eben in diese Strömungen ganz vorurteilsfrei hineinschauen. Wir sollten uns eigentlich gerade jeden Chauvinismus abgewöhnen, wir sollten völlig nur auf das Objektive sehen. 

Aber gerade dann würden wir von jeder Verhimmelung des Amerikanismus, dem wir uns ja auch hinlänglich hingegeben haben, zurückkommen und würden gerade deshalb, weil die Furcht vor dem Geistigen das charakteristische Element im Amerikanismus ist, einsehen, dass in den gegenwärtigen katastrophalen Ereignissen das amerikanische Element als das eigentlich radikale Böse immer mehr und mehr wirken wird. Kurzsichtige sind es, die anderes über die Dinge sagen, weil sie nicht aus den Zusammenhängen heraus urteilen. Alles, was aus der politischen Lage der Franzosen, alles, was aus der rein ökonomischen Starrheit, die dem Britischen naturgemäß ist, alles, was aus dem animalischen Furor, diesem «heiligen Egoismus», des italienischen Volkes fließt, das ist im Hinblick auf die großen Angelegenheiten, die sich abspielen, eine Kleinigkeit gegenüber dem eigentlich bösen Element, das aus dem Amerikanismus aufgeht. Denn es gibt drei Strömungen, die durch ihre innere Verwandtschaft das Zerstörerische für die Menschheitsentwickelung haben. Dadurch, dass sie in verschiedenerWeise die Erbstücke und das Neue aufgenommen haben, wie ich es heute skizzenhaft zu charakterisieren versuchte, dadurch sind sie das Zerstörerische. Vorzugsweise in drei Strömungen liegt dieses Zerstörerische: Erstens in alledem, was man Amerikanismus nennt, denn das tendiert immer mehr und mehr dahin, die Furcht vor dem Geiste auszubilden, die Welt nur zu einer Gelegenheit zu machen, in ihr physisch leben zu können. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn das Britentum die Welt zu einer Art Handelshaus machen will. Der Amerikanismus will sie eigentlich zu einer möglichst mit Komfort ausgestatteten physischen Wohnung machen, in der man bequem und reich leben kann. Und in der Welt bequem und reich leben zu können, das ist das politische Element des Amerikanismus. Wer das nicht durchschaut, sieht die Dinge nicht, sondern will sich selbst betäuben. Unter dem Einfluss dieser Strömung muss aber der Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt ersterben. In diesen amerikanischen Kräften liegt das, was wesentlich die Erde zum Ende führen muss, liegt das Zerstörerische, was zuletzt die Erde zum Tode bringen muss, weil der Geist davon abgehalten werden soll. Das zweite Zerstörerische ist nicht bloß der katholische, sondern aller Jesuitismus, denn der ist im wesentlichen mit dem Amerikanismus verwandt. Ist der Amerikanismus die Pflege der amerikanischen Strömung, welche die Furcht vor dem Geist ausbilden will, so sucht der Jesuitismus den Glauben zu erwecken: nicht tasten an den Geist, an den wir nicht heran können, und die geistigen Güter von denen verwalten lassen, die dazu durch das Lehramt der katholischen Kirche berufen sind. – Und diese Strömung will die Kräfte in der Menschennatur verkümmern lassen, die nach dem Übersinnlichen gehen. Und das Dritte ist das, was heute in einzelnen Symptomen im Osten so furchtbar heraufzieht, was aber doch seinen Grund hat in dem rein das Animalische sozialisierenden Sozialismus; es ist das – das Wort soll damit nicht gleich irgendwie dogmatisiert werden -, was man als Bolschewismus bezeichnet, den die Menschheit nicht leicht überwinden wird. 

Das sind die drei zerstörerischen Elemente der modernen Menschheitsentwickelung. Ihnen Erkenntnis entgegenzubringen, damit man in der richtigen Weise sich den Ereignissen der Gegenwart gegenüberstellt, das ist doch nur auf geisteswissenschaftlichem Boden möglich. 

 

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