von Ingo Hagel
Wie hier und hier beschrieben, handelt es sich bei der Finanzkrise nicht um einen „Unfall“ sondern um einen minutiös, langfristig und zynisch geplanten Anschlag des anglo-amerikanischen Finanzsystems auf Europa und die Welt. Um zu entschiedenen Gegenmaßnahmen abseits irgendwelcher Europa-Illusionen kommen zu können, muss man wissen, wie dieser Angriff durchgeführt wurde. Hier daher einige Hinweise zu den Hintergründen der Finanzkrise.
Das Buch „Nationalstaat und Globalisierung“ von Jürgen Elsässer (das nur Menschen ohne Denkvermögen, die Worte mit Begriffen verwechseln, für ein „rechtes“ Buch halten können) schildert, wie langfristig vorausplanend das anglo-amerikanische Finanzsystem Schritt für Schritt in der Politik die einzelnen Voraussetzungen dazu schuf. Als einzelne Stationen dieser Unternehmung schildert Jürgen Elsässer (ausführlich, hier nur in Umrissen dargestellt):
- Auflösung des 1944 noch vor Ende des 2. Weltkrieges von den Siegermächten beschlossenen Abkommens von Bretton Woods, das „streng zwischen erwünschter Handelsliberalisierung auf der einen und unerwünschter Finanzmarktderegulierung auf der anderen Seite“ unterschied.
- 1971 erfolgte durch Richard Nixon eine weitere Deregulierung des Finanzmarktes, nämlich die Aufhebung der Bindung des US-Dollars an Gold, da sich Amerika mit dem Vietnamkrieg stark verschuldet hatte und daher diese Golddeckung nicht mehr vorhanden war.
- England unter Margret Thatcher hob 1986 und Amerika hob 1999 unter Bill Clinton das Glass-Steagall Gesetz auf, was Alan Greenspann, der neue Notenbankchef der FED, bereits 1987 in einer seiner ersten Reden angeregt hatte. Jürgen Elsässer: „Der Kampf zur Abschaffung des Gesetzes dauerte 12 Jahre, allein die Chase Manhattan Bank und Citicorp gaben über 100 Millionen Dollar zur Beeinflussung von Kongressabgeordneten aus.“ – „Auf diese Weise konnten die Sparguthaben der Masse der Bevölkerung für Casinospiele angezapft werden.“
- weitere Ausweitungen der den Banken für Spekulationsgeschäfte verfügbaren Geldmenge bestanden unter anderem darin, dass die Banken Kredite in ihren Büchern nicht mehr als solche ausweisen mussten, sondern über Verbriefungen in Wertpapiere umwandeln und damit die gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalquote für Kredite umgehen konnten.
Auf diesem Wege gelang also, was sonst nie hätte gelingen können: eine unglaubliche Ausweitung der dem Finanzsystem (ohne den Staat beziehungsweise die Notenbanken und den Sparern) verfügbaren Geldmenge. Schließlich war auf diese Weise der Weg frei, um über eine gigantische aus dem Nichts geschaffene Geldmenge, hinter der keine reale Wirtschaft mehr stand, sondern nur noch unseriöse Finanzprodukte, Zertifikate, Derivate und Devisenhandel steckten, diesen „zynisch geplanten Anschlag der anglo-amerikanischen Finanzkreise“ (Webster Tarpley) durchführen zu können.
Auch Prof. Hankel erklärt ausführlich, wie es dazu kommen konnte:
im ersten Clip berichtet Prof. Hankel über
- strukturelle Fehler im Geld- und Kreditsystem, Geld ist kein privates Gut, es ist öffentlich, muss die Wohlfahrt der Völker mehren
- über den Auftrag der EZB, das Geld stabil zu halten, das heißt eine Inflation zu vermeiden
- über das Merkwürdige, öffentlich Unbekannte, nicht Reflektierte, dass dieses öffentliche Geld durch private Agenturen in die Welt kommt: JP Morgan, JP Morgan Chase & Co., Goldmann Sachs, Morgan etc. (erwähnt muss natürlich auch die amerikanische Notenbank FED werden, die ja keine Nationalbank ist, sondern ein privates Bankenkartell, das Geld aus dem Nichts erzeugt und (gegen Zinsen) an die USA ausleiht; Anmerkung IH)
- über den Eigennutz der privaten Banken, die ja eigentlich nichts weiter sind als Zahlungsstellen der Zentralbank, diese hatten aber nur eines im Sinn, nämlich ihren Privatnutzen zu mehren
- über die gebrochene Geldverfassung: staatliches Geld, privater Kredit. Daher übernehmen sich die Banken im Kreditgeschäft, schaffen mehr Kredit, als sie Geld haben. Dabei sollten Banken nur den Kredit vergeben, den die Sparer an Einlagen machen
- über die völlige Entkoppelung der Banken vom Sparer, indem sie den Weg gefunden hatten, wie sie ohne Sparer Geld schaffen können
- über den Interbankenverkehr und die Interbankenschuld, die nur dann noch vertretbar wäre, wenn nicht zu viel Kredit vergeben wird, und wenn das Geld wirklich in die produktive Wirtschaft käme
- Es ging aber nicht in die produktive Wirtschaft, sondern die Banken haben sich nur im eigenen finanziellen Sektor betätigt
- So wurde Schritt für Schritt eine Inflation der Vermögenspreise geschaffen, es war eine Inflation, für die keiner zuständig war
Im zweiten Clip schildert Prof. Hankel die Verbriefung dieser Bankschulden, sie wurden dann (als Zertifikate, das heißt Derivate) handelbar gemacht. Diese Derivate sind eigentlich keine Wertpapiere, da kein realer Wert einer Sache im Hintergrund steht, daher nennt Prof. Hankel sie Unwertpapiere. Der normale Welthandel der realen Welt wird vom Handel mit diesen Derivaten überrollt:
Prof. Hankel (bei 6:50): „Dem stetigen Anstieg des Welthandels der realen Welt steht ein geradezu senkrechter Anstieg der Finanzkurve entgegen. Wenn man diese zwei Kurven nebeneinander in einem Schaubild malt, hätte man für die Finanzkurve die Decke des Zimmers durchbrechen müssen, so steil ging die Kurve nach oben. Wir hatten in den letzten Jahren (das Interview ist laut YouTube von 2009; Anmerkung IH) jährliche Umsätze im Derivatemarkt (das ist der Markt, von dem ich jetzt spreche) von 600 Billionen Dollar. 600 Billionen, das ist das 10fache dessen, was jährlich in der Welt produziert wird, das 10fache eines Bruttoinlandsproduktes. Und es ist das 50fache eines realen Welthandels, denn der hatte in den letzten Jahren die Größenordnung von etwa 12 Billionen erreicht. Und das alles hat sich untern den Augen von Fachleuten, von Aufsehern, von qualifizierten Experten vollzogen. An diesen beiden oder drei Zahlen ist nicht Geheimnisvolles, die konnte man immer einsehen, darüber hat die Fachpresse geschrieben. Und auch die Medien muss man hier erwähnen: unsere ach so gelehrten Experten in den Medien, in den Wirtschafts-Zeitungen: Sie alle haben diese geradezu astronomischen Zahlen der Finanzumsätze nicht etwa als Gefahrensignal erkannt, sondern sie haben geradezu in einer unverständlichen Bewunderung davon gesprochen und darüber geschrieben, das zeige doch die unglaubliche Effizienz, die Leistungsstärke unseres Finanzsystems. Und auf diesen Leim sind sie alle gekrochen. Eines schönen Tages, es war im Sommer 2007, da brach nicht etwa der Derivatemarkt zusammen, sondern ein kleiner Nebenmarkt, klein im Verhältnis zu den 600 Billlionen Derivaten, da brach nämlich der US Hypothekenmarkt zusammen.
Auch Zahlen aus dem Spiegel (Nr. 34/2011) belegen, dass diese aus dem Derivatehandel stammenden Schulden niemals von den Volkswirtschaften werden zurückbezahlt werden können. Denn die weltweiten Geschäfte mit diesen Finanzprodukten übersteigen mit 601 Billionen Dollar das Bruttoinlandsprodukt (BIP Welt) mit 63 Billionen Dollar um das 10fache. Diesen Angriff des anglo-amerikanischen Finanzsystems (auf das die europäischen Geldhäuser ja nur zu begierig aufgesprungen sind) hätte man daher durch eine Insolvenz der betroffenen Banken abwehren müssen.
Abbildung: Volumen der verschiedenen in 2010 getätigten Finanzgeschäfte (in Billionen Dollar) im Vergleich zum dem Wert aller auf der Welt produzierten Güter und Dienstleistungen BIP (eigene Grafik nach einer Abbildung aus Spiegel 2011 Nr. 34)
Mit dem Zusammenbruch der unsolide und betrügerisch aufgelegten amerikanischen Hypothekenkredite (Subprimes) entstand großes Misstrauen unter den Banken, die sich gegenseitig in diesem undurchschaubaren Schneeballsystem kein Geld mehr liehen. Damit brach dann auch der 600 Billionen umfassende Derivatemarkt zusammen, der natürlich ein ebenso unsolides und betrügerisch aufgebautes System darstellte. Die Banken besaßen natürlich nicht genügend Eigenkapital, um diese Verluste abschreiben zu können. Anstatt dass man diese Banken aber nun zum Konkursrichter schickte und Insolvenz anmeldeten, sprangen inkompetente oder betrügerische (das heißt mit dem anglo-amerikanischen Finanzsystem unter einer Decke steckende) Regierungen für diese Banken ein.
Prof. Hankel dazu (bei 0:25): Warum sollen Banken nicht pleite gehen? Denn sie sind Teil der Marktwirtschaft, des normalen Wettbewerbes? Und warum sollen Bankfürsten, die schwere Fehler in ihrem Geschäftsablauf gemacht haben, warum sollen die anders als kleine Unternehmer im Realgeschäft, warum sollen sie anders als jeder normale Mensch für ihre Verfehlungen nicht bestraft werden, sondern sogar mit Staatsgeld belohnt werden? Und viel schlimmer: wenn man die Summen ansieht, die jetzt in Rede stehen, wenn man sich klar macht, wieviele Billionen von Bankschulden jetzt durch Staatsschulden ersetzt werden sollen, denn das bedeutet ja die Rettung der Banken, dann zeichnet sich klar am Horizont ab, dass wir nach Überwindung dieser Krise, der Kaufzurückhaltung der Konsumenten, der Investoren, mit einer hochgradigen Inflation zu rechnen haben.
In der Tat, man hätte diese Banken in Deutschland und Europa (und der übrigen Welt), die sich an diesen unseriösen Derivategeschäften etc. verhoben hatten, in die Insolvenz gehen lassen sollen, anstatt die Begleichung dieser Schulden den Bürgern und Steuerzahlern aufzubürden. Jürgen Elsässer und andere hatten auf diese Möglichkeit hingewiesen (s. hier auf Umkreis-Online). Man hätte diese insolventen Banken von Staatsseite aus übernehmen müssen, um für die produktive Wirtschaft (nicht das Investmentbanking) das nötige (produktive) Kreditvergabegeschäft nicht zu unterbrechen, diese Kredite von Staatsseite und mit Hilfe der Notenbank sichern müssen, ansonsten diese Banken mit ihren unsoliden Derivategeschäften in die Insolvenz führen müssen, das heißt diese Schulden an Derivategeschäften streichen, annulieren müssen. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, die normalen Spareinlagen der Bürger von den Investmentgeschäften der Banken zu trennen, erstere über den Einlagensicherungsfonds der Banken zu retten, und die Verluste aus Spekulationsgeschäften abzuschreiben. Da sich aber Deutschland von eben diesem Finanzsektor, vor allem von Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank, die aber keine deutsche Bank ist sondern ein „angelsächsischer Bankbetrieb“ (Prof. Max Otte) die Gesetze schreiben lässt, unterblieb dieser Schritt einer Bankeninsolvenz selbstverständlich. Stattdessen schlägt Ackermann natürlich vor, Griechenland im Euro zu behalten und den Euro-Rettungsschirm noch weiter aufzustocken.
Alle diese Maßnahmen zur Rettung der Staaten vor diesem anglo-amerikanischen Angriff haben die Politiker, die mit diesem System unter einer Decke stecken sowie der in größten Teilen ahnungslose Parlamentarismus versäumt. Daher ist es verständlich, dass sich das anglo-amerikanische Finanzsystem mit seiner Marionette Obama sehr zufrieden mit seinen Freunden in Europa äußerte. Der Spiegel schrieb:
Na endlich! An der Wall Street und im Weißen Haus herrscht große Erleichterung über Europas Einigung in der Euro-Krise sowie die neu entdeckten Leadership-Qualitäten der deutschen Kanzlerin. US-Präsident Obama lobt Merkel und ihre Kollegen – und hofft dabei auf eigene Polit-Dividende.
Die Nachdenkseiten schrieben:
… die Banken und Spekulanten werden auf Kosten der hart Arbeitenden gerettet, die Bundeskanzlerin und ihr Kabinett sind sichtbar im Einflussbereich der Finanzwirtschaft, etc.
Nicht umsonst hatte Obama der deutschen Kanzlerin die höchste zivile Auszeichnung der USA, die Freiheitsmedaille verliehen, aber eben auch mit Blick auf zukünftige Dienste: „Allerdings seien mit dem Lob auch hohe Erwartungen seitens des Gastgebers verbunden“ schrieb der Tagesspiegel – und zitiert Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik:
„Die Medaille bekommt Merkel ebenso sehr für Dinge, die von Deutschland erwartet werden, wie für das, was sie geleistet hat“, sagte Riecke.
Der Focus schrieb (Hervorhebungen IH):
Zuvor hatte Obama gescherzt, die Vergabe der Freiheitsmedaille an Merkel sehe er nicht nur als Würdigung früherer Verdienste, sonder als Erwartung an seine Partnerin in Berlin.“
Nun, so scherzhaft wird dieser Wink mit dem Zaunpfahl mit Blick auf eine weitere zukünftige Kooperation mit dem anglo-amerikanischen Finanzsystem nicht gewesen sein. Merkel und die Lemminge des Deutschen Bundestages werden daher weiterhin mit einem Rettungsschirm nach dem anderen auf Kosten der Menschen an der Rettung des Bankensystems beteiligen.
Auch Prof. Max Otte ruft daher in seinem Buch „Stoppt das Euro Desaster“ zum Widerstand auf:
Etwas ist faul in unserem Staate, und die Bürgerinnen und Bürger spüren das. In unzähligen Vorträgen bei politischen Vereinigungen, Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen, Kirchen und anderen Foren der Zivilgesellschaft habe ich festgestellt: Die Menschen merken, dass sie an der Nase herumgeführt werden. Sie wissen, dass sie am Ende die Dummen sind, dass sie für dieses Desaster mit ihren Steuergeldern bezahlen müssen. Aber die Lage scheint so komplex und verworren, dass sie die Ursachen nicht klar ausmachen können. Widerstreitende Expertenmeinungen tun ihr Übriges. Oft bleiben nur Wut und Resignation.
Das darf nicht sein. Lassen Sie nicht zu, dass man uns zu verwirrten, resignierten Subjekten macht und wir ein ums andere Mal für Krisen geradestehen, die wir nicht verursacht haben. Es reicht – wehren Sie sich!
Widerstand beginnt mit Wissen. Deswegen verfasse ich diese Schrift. Ich will, dass Sie mitreden können; dass Sie erkennen, wie schlimm es wirklich um unser Wirtschaftssystem und letztlich auch um unsere Demokratie steht.
(Zu weiteren Vorschlägen Prof. Ottes s. zum Beispiel auch hier).
Dieser Widerstand muss aber auch dahin gehen einzusehen, dass es sich bei der Finanzkrise nicht um einen Unfall, sondern um ein planvolles Manöver der anglo-amerikanischen Plutokratie handelt mit dem Ziel, Deutschland, Europa und letztlich die Welt seiner wirtschaftlichen Eigenständigkeit und geistigen Freiheit zu berauben. Vielleicht kann nur diese Einsicht, dass es sich bei der sogenannten Finanzkrise um einen „zynisch geplanten Anschlag der anglo-amerikanischen Finanzkreise“ handelt, zu der nötigen Entschlusskraft für Gegenmaßnahmen führen.